Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsinanspruchnahme einer nominellen Geschäftsführerin bzw. Liquidatorin für Steuerschulden
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Stpfl. war als nominelle Geschäftsführerin und spätere Liquidatorin der T GmbH deren gesetzliche Vertreterin i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 AO, und zwar von der Gründung der Gesellschaft im Jahr 2007 bis in das Jahr 2017. Inwieweit sie diese Aufgabe tatsächlich erfüllt hat, ist tatbestandlich ebenso ohne Bedeutung wie der Umstand, dass ihr Ehemann, Herr U. K., tatsächlich die Geschäfte der T GmbH geführt hat. Zudem kann sich niemand auf sein eigenes Unvermögen berufen, seinen Aufgaben als Geschäftsführer nachzukommen.
2. Dass die Stpfl. in der T GmbH nicht tatsächlich die Geschäfte führte, sondern nur als Strohfrau fungierte, ändert an der objektiv vorliegenden Pflichtverletzung nichts. Denn die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH ergibt sich allein aus der nominellen Bestellung zum Geschäftsführer.
Normenkette
AO §§ 191, 34 Abs. 1 S. 1, § 149; UStG § 18 Abs. 3; AO § 69
Tatbestand
Die Klägerin war – bis in das Jahr 2017 – alleinige Gesellschafterin und die alleinige nominelle Geschäftsführerin und später Liquidatorin der im Jahr 2007 gegründeten T GmbH (zunächst Handelsregister Amtsgericht B-Stadt HRB …, dann Amtsgericht K-Stadt HRB …; im Folgenden: T GmbH).
Die T GmbH betrieb einen Handel mit X-Produkten und diversen … Geräten, u.a. mit dem Kauf und Verkauf von X-Geräten. Den Geschäftsbetrieb hatte die Klägerin als Einzelfirma im Jahr 2005 in N-Stadt gegründet. Später wurde ein Onlineshop eröffnet und der Vertrieb über das Internet, eBay, Amazon, Yatego und andere Vertriebsportale begonnen. Im Jahr 2007 erfolgte die Gründung der T GmbH mit Sitz in K-Stadt, die den Geschäftsbetrieb fortführte. Herr U. K., der Ehemann der Klägerin, war – dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig – (alleiniger) faktischer Geschäftsführer der T GmbH; ihm wurde im Januar 2009 die fachliche Eignung nach § 30 Abs. 6 des Berufsbildungsgesetzes verliehen. Die steuerliche Beratung der T GmbH erfolgte durch die K1 GmbH.
Als die T GmbH keine Umsatzsteuerjahreserklärung für 2010 abgegeben hatte, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Umsatzsteuer 2010 für die T GmbH auf … € fest. Im Rahmen des hiergegen geführten Einspruchsverfahrens gab die T GmbH am 29.05.2012 eine von der Klägerin unterschriebene Umsatzsteuererklärung für 2010 ab, in der sie eine festzusetzende Umsatzsteuer in Höhe von yyyy € erklärte. Daraufhin änderte der Beklagte die Festsetzung mit Bescheid vom 29.06.2012 unter Beibehaltung des Nachprüfungsvorbehalts erklärungsgemäß ab.
Im April 2013 begann bei der T GmbH eine Betriebsprüfung betreffend die Umsatzsteuer 2008 bis 2013. Der Prüfer war der Auffassung, dass der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der F. Trading GmbH (F.) zu versagen sei, weil es sich um Scheinrechnungen gehandelt habe. Auf der Grundlage eines Zwischenberichts vom 22.04.2014 erließ der Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 23.04.2014, mit dem er den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der F. in Höhe von insgesamt xy.xyx € versagte und die Umsatzsteuer 2010 auf yx.yxy € festsetzte. Die T GmbH focht den Bescheid an. Mit Schreiben vom 30.04.2014 forderte der Beklagte die T GmbH zur Zahlung von xy.xyx € für die Umsatzsteuer 2010 sowie zzzz € für Zinsen hierauf aus 25 Monaten im Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 30.04.2014 auf.
Mit hier streitgegenständlichem Haftungsbescheid nahm der Beklagte die Klägerin wegen einer Gesamthaftungssumme in Höhe von yy.yyy € in Anspruch, die sich aus der Haftung für Umsatzsteuer 2010 in Höhe von xy.xyx € und Nachzahlungszinsen hierzu in Höhe von zzzz € (bis zum 05.05.2014) zusammensetzt. Der Beklagte stützte den Haftungsbescheid auf § 69 AO, weil die Klägerin als alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der T GmbH die Pflicht gehabt habe, zutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen abzugeben. Diese Pflicht habe die Klägerin mindestens grob fahrlässig aufgrund eines Vorsteuerabzugs aus Scheinrechnungen in Höhe von xy.xyx € verletzt. Der Beklagte verwies auf den Zwischenbericht der Betriebsprüfungsstelle vom 22.04.2014.
Den hiergegen eingelegten Einspruch begründete die Klägerin zunächst unter Verweis auf das Rechtsbehelfsverfahren gegen die Umsatzsteuerfestsetzung, woraufhin das Einspruchsverfahren ruhte.
Durch rechtskräftigen Beschluss vom 12.05.2015 (100 IN 43/15) lehnte das Amtsgericht I-Stadt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der T GmbH ab. Als Liquidatorin wurde die Klägerin in das Handelsregister eingetragen.
Der Beklagte erließ im Nachgang zur zwischenzeitlich fortgesetzten Betriebsprüfung, noch während des gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid laufenden Einspruchsverfahrens, einen weiteren gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid vom 26.10.2015, mit dem er Vorsteuern aus Rechn...