Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerverbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten
Leitsatz (redaktionell)
1) Das Insolvenzgericht ordnet im sog. Schutzschirmverfahren nach § 270b Abs. 3 InsO auf Antrag an, dass der Schuldner bzw. der vorläufige Insolvenzverwalter, auf den die Verfügungsbefugnis übergegangen ist, Masseverbindlichkeiten begründet.
2) Ordnet das Gericht – statt einer Globalermächtigung – eine Gruppenermächtigung an, von der die Umsatzsteuerverbindlichkeiten nicht erfasst sind, stellen diese auch keine Masseverbindlichkeiten dar.
Normenkette
InsO §§ 270b, 55, 270a
Tatbestand
Streitig ist, ob die während der vorläufigen Eigenverwaltung begründeten Umsatzsteuerverbindlichkeiten der B GmbH den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil oder die Insolvenzmasse betreffen.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der B GmbH (Insolvenzschuldnerin). Unternehmensgegenstand der Insolvenzschuldnerin war […].
Am 29.07.2015 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin gestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts E vom selben Tag (Az. xyz) wurde der Kläger zum vorläufigen Sachwalter bestellt und zur Vorbereitung einer Sanierung nach § 270b Insolvenzordnung (InsO) die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet (sog. Schutzschirmverfahren). Ferner heißt es in dem Beschluss:
„Die Schuldnerin wird gemäß § 270b Abs. 3 InsO ermächtigt, zum Zweck der Finanzierung des laufenden Geschäftsbetriebs wegen eines Darlehens im Rahmen der Insolvenzgeldvorfinanzierung und der in diesem Zusammenhang stehenden Rückzahlungsansprüche, Zinsen und Gebühren Masseverbindlichkeiten im Rang des § 55 Abs. 2 InsO zu begründen.
Die Schuldnerin wird gem. § 270b Abs. 3 InsO ermächtigt, zum Zweck der Aufrechterhaltung des laufenden Geschäftsbetriebs im Eröffnungsverfahren mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters gegenüber Dienstleistern und Lieferanten Masseverbindlichkeiten im Rang des § 55 Abs. 2 InsO zu begründen.”
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts E vom 29.07.2015 Bezug genommen (Bl. 8 f. der Umsatzsteuerakte).
Am 01.10.2015 eröffnete das Amtsgericht E das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin, bestellte den Kläger zum Sachwalter und ordnete die Eigenverwaltung an. Mit einem weiteren Beschluss des Amtsgerichts E vom 29.12.2015 wurde die Anordnung der Eigenverwaltung aufgehoben und der Kläger zum Insolvenzverwalter der Insolvenzschuldnerin bestellt.
Die Umsatzsteuer-Voranmeldung der Insolvenzschuldnerin für den Monat Juli 2015 wurde am 10.09.2015 unter der bereits vor der Insolvenzeröffnung der Insolvenzschuldnerin zugewiesenen Steuernummer (xxxx/yyyy/z1) für den sog. vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil übermittelt. Es wurde eine Umsatzsteuer i.H.v. 7.654,63 € unter Berücksichtigung der gesamten im Juli ausgeführten Umsätze erklärt. Am 12.10.2015 ging eine berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung für Juli 2015 beim Beklagten ein, mit der für den gesamten Monat eine Umsatzsteuer i. H. v. 15.325,88 € erklärt wurde.
Der Beklagte führte im Anschluss bei der Insolvenzschuldnerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Die Prüferin kam zu der Feststellung, dass die für Juli 2015 erklärten Umsätze aufzuteilen seien. Die bis zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführten Umsätze und die sich daraus ergebende Umsatzsteuer seien dem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil zuzurechnen. Die nach der Antragstellung (29.07.2015) ausgeführten Umsätze beträfen den nachinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil (neue Steuernummer: xxxx/yyyy/z2) und die sich daraus ergebende Umsatzsteuer begründe eine Masseverbindlichkeit. Es wird wegen der Einzelheiten auf Tz. 2.3 des Umsatzsteuer-Sonderprüfungsberichts vom 18.01.2016 verwiesen (USt-Akte Bl. 141 ff.).
Der Beklagte folgte den Feststellungen der Prüferin und setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Juli 2015 den nachinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil betreffend mit Bescheid vom 03.02.2016 auf 2.366,99 € fest.
Der Kläger legte gegen den Bescheid Einspruch ein. Denn die festgesetzte Umsatzsteuer sei dem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil zuzuordnen. Die sich daraus ergebende Umsatzsteuerverbindlichkeit sei als eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO zu behandeln und nicht als Masseverbindlichkeit. Der Insolvenzschuldnerin sei im Rahmen der Unternehmensfortführung nach § 270b Abs. 3 InsO keine Generalermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten, sondern nur eine Einzel- bzw. Gruppenermächtigung erteilt worden. Hiervon sei die Begründung von Umsatzsteuerverbindlichkeiten nicht erfasst.
Für die Monate August und September 2015 setzte der Beklagte gegen den Kläger mit Bescheiden jeweils vom 14.03.2016 die Vorauszahlungen auf 26.090,52 € (August 2015) und 6.313,65 € (September 2015) fest. Gegen diese Bescheide legte der Kläger ebenfalls Einsprüche ein.
Während des Einspruchsverfahrens erließ der Beklagte am 29.09.2016 einen Umsatzsteuerjahresbescheid und setzte die Umsatzsteuer 2015 unter der Ste...