Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden
Leitsatz (redaktionell)
Die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheides für einen Folgebescheid kann selbst dann bestehen, wenn das Feststellungsfinanzamt über den gesetzlich vorgeschriebenen Umfang hinaus Besteuerungsgrundlagen festgestellt hat. Die Annahme einer Bindungswirkung setzt allerdings auch in einem solchen Fall voraus, dass der Feststellungsbescheid an die materiell-rechtlich betroffenen Personen adresiert und ihnen gegenüber mit einem solchen Inhalt wirksam geworden ist.
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 1 S. 1, § 182 Abs. 1, 1 S. 1, § 175 Abs. 1, 1 Nr. 1, § 119 Abs. 1, § 122 Abs. 1, § 124 Abs. 1, § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Der Einkommensteuer-Bescheid für 1984 vom 22.06.1993 wird abgeändert. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner den Klägern das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist materiell-rechtlich im Streit, ob vertraglich vereinbarte Unterbeteiligungen an einem GmbH-Anteil der Entstehung eines Veräußerungsgewinns i.S.d. § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) entgegenstehen, bzw. ob ein gegenüber der Unterbeteiligungsgesellschaft erlassener Feststellungsbescheid Bindungswirkung auch mit Rücksicht auf den Veräußerungsgewinn entfaltet.
Der Kläger (Kl.) war bis zum Streitjahr 1984 zusammen mit Herrn H.-G. K. Gesellschafter/Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften, wobei sich die Beteiligungsverhältnisse der Herren bzw. der Familien zueinander grundsätzlich parallel entwickelten.
Ursprünglich war der Kl. – ebenso wie H.-G. K. – mit einer Kapitaleinlage in Höhe von 19.600 DM Kommanditist der Firma A.-GmbH & Co. KG. Komplementärin war die A.-GmbH mit einer festen Einlage in Höhe von 800 DM.
Mit notariellem Vertrag vom 30.06.1971 räumte der Kl. an seinem nominellen Kommanditanteil der Klin. eine Unterbeteiligung in Höhe von 4.000 DM und seinen zu diesem Zeitpunkt minderjährigen vier Kindern A., B., C. und D. in Höhe von jeweils 1.500 DM ein. Dieser not. Vertrag (Notar X. Urk.-Nr. 130/1971) hat u.a. folgenden Wortlaut:
„§ 1 Gegenstand der Unterbeteiligung
(1)… Entsprechend dieser Beteiligung stehen den Unterbeteiligten das Rücklagekonto, die stillen Reserven und etwaige Gewinne/Verluste des Hauptbeteiligten zu.
(2) Jedes Unterbeteiligungsverhältnis ist rechtlich selbständig. Es entstehen also durch die Einräumung der Unterbeteiligung keine Rechtsbeziehungen zwischen den Unterbeteiligten.
…
§ 4 Stellung des Hauptbeteiligten
(1) Der Gesellschaft gegenüber werden die Rechte und Interessen der Unterbeteiligten ausschließlich durch den Hauptbeteiligten wahrgenommen. Die Unterbeteiligten unterwerfen sich insoweit allen Maßnahmen des Hauptbeteiligten. Der Hauptbeteiligte ist verpflichtet, bei seinen Entscheidungen die Interessen der Unterbeteiligten zu berücksichtigen.
(2) Die vorstehenden Rechte des Hauptbeteiligten umfassen insbesondere auch Maßnahmen zur Abänderung des Gesellschaftsvertrages, Kapitalerhöhungen, Umformung der Gesellschaft in eine andere Rechtsform.
…
§ 6 Veräußerung der Beteiligungsrechte
(1) Durch die Einräumung der Unterbeteiligung wird die Befugnis des Hauptbeteiligten, über den Gegenstand der Unterbeteiligung zu verfügen, nicht berührt.
(2) Durch die Veräußerung des Gegenstandes der Unterbeteiligung, insbesondere auch durch die Umformung durch Verschmelzung, Umwandlung oder auf andere Weise wird das Unterbeteiligungsverhältnis nicht aufgelöst, sondern an demjenigen Vermögensgegenstand fortgesetzt, der an die Stelle des Gegenstandes der Unterbeteiligung getreten ist. Tritt in diesem Falle an die Stelle des Gegenstandes der Unterbeteiligung ein anderer Vermögensgegenstand als gesellschaftliche Beteiligung, so setzt sich das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis als BGB – Innengesellschaft fort.
(3) Die Unterbeteiligten können über ihre Ansprüche aus dem Unterbeteiligungsverhältnis nur mit Zustimmung des Hauptbeteiligten verfügen.
§ 7 Kapitalerhöhung
Im Falle einer Kapitalerhöhung bei der Kapitalgesellschaft erstreckt sich nach Bestimmung des Hauptbeteiligten das Unterbeteiligungsverhältnis auf einen der Unterbeteiligung entsprechenden Teil des erhöhten Kapitals.”
Mit Gesellschafterbeschluss vom 14.12.1971 (Notar X., Urk.-Nr. 224/171) wurde das Vermögen der A.-GmbH & Co. Kg in die B.-GmbH zum Teilwert eingebracht. Das ursprüngliche Stammkapital der GmbH in Höhe von 100.000 DM wurde vom Kl. und H.-G. K. in Höhe von jeweils 49.000 DM und von der A.-GmbH in Höhe von 2.000 DM übernommen. Von dem in der Umwandlungsbilanz ausgewiesenen Reinvermögen wurden 100.000 DM zur Belegung der Einzahlungsverbindlichkeiten auf das Stammkapital verwandt. Der übersch...