Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Steuerbefreiung von Umsätzen einer Schwimmschule
Leitsatz (redaktionell)
Heilbehandlungen sind Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen beim Menschen vorgenommen werden. Schwimmkurse in Aqua-Jogging und Wassergymnastik beinhalten keine Heilbehandlung nach wissenschaftlich anerkannten Heilmethoden im vorgenannten Sinne. Mit diesen Kursen wandte sich der Stpfl. an unterschiedliche Personenkreise, u.a. auch gesunde Personen, um deren Allgemeinbefinden zu stärken. Eine Maßnahme zur bloßen Steigerung des Allgemeinbefindens ist keine Heilbehandlung i.S.d. § 4 Nr. 14 Satz 1.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 14 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob und inwieweit der Kläger (Kl.) in den Streitjahren 2005 bis 2007 mit einer Schwimmschule umsatzsteuerfreie Umsätze erzielt hat.
Der Kl., der im November 2005 das erste Staatsexamen für das Lehramt für die Sekundarstufe II für die Fächer Sport und Physik ablegte, betrieb ab Juni 2000 eine Schwimmschule, für die er in den Streitjahren über keine Krankenkassenzulassung verfügte. Mit mehreren Arbeitnehmern, überwiegend Physiotherapeuten, führte er Baby-, Kleinkinder-, sonstige Kinder- und Erwachsenenschwimmkurse sowie Wassergymnastik wie Aqua-Jogging bzw. Aqua-Fitness in Hallenbädern durch, die er vom jeweiligen kommunalen Betreiber stundenweise angemietet hatte. Die Kursteilnehmer entrichteten für die Teilnahme an den Kursen an den Kl. ein von ihm berechnetes Entgelt, das auch ein gegebenenfalls auf die Kursteilnehmer entfallendes Eintrittsgeld für die Hallenbadbenutzung umfasste. Die Kommunen erhoben vom Kl. für die Nutzungsüberlassung der Hallenbäder ein Entgelt in der Regel von 20 % der von ihm vereinnahmten Kursgebühren. Auf der Grundlage des § 20 des Sozialgesetzbuches (SGB) V erstatteten die Krankenkassen die für die Aqua-Fitness-Kurse erhobenen Entgelte ganz oder teilweise an die Kursteilnehmer, da laut dem Vortrag des Kl. die Krankenkassen Aqua-Fitness-Kurse als Leistung zur gesundheitlichen Prävention ansahen.
Der Kl. gab für die Streitjahre 2005 bis 2007 keine Umsatzsteuer(USt)-Erklärungen ab, da er seine Umsätze gemäß §§ 4 Nr. 14, Nr. 21, Nr. 22 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung für die Streitjahre (UStG) bzw. nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c, h, i, j der Richtlinie 77/388/EWG als steuerfrei ansah. Der Prüfer einer u.a. für 2005 durchgeführten USt-Sonderprüfung (Sp, Bericht vom 22.12.2006, Tz. 13) nahm an, dass der Kl. keine steuerfreien Umsätze ausgeführt habe. Er habe weder Heilbehandlungen im Sinne des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG noch dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten im Sinne des § 4 Nr. 22 UStG ausgeführt. Gemäß dem Sp-Bericht erließ das beklagte Finanzamt (FA) USt-Bescheide für 2001 am 12.11.2007, für 2002 am 21.11.2007, für 2003 bis 2005 am 23.04.2007, am 09.07.2007 USt-Vorauszahlungsbescheide für 1-12/2006, am 09.07.2007 USt-Vorauszahlungsbescheide für 1-5/2007, am 15.08.2007 einen USt-Vorauszahlungsbescheid für 6/2007, am 18.09.2007 einen USt-Vorauszahlungsbescheid für 7/2007, am 14.11.2007 einen USt-Vorauszahlungsbescheid für 8/ 2007, am 21.11.2007 einen USt-Vorauszahlungsbescheid für 9/2007, am 18.12.2007 einen USt-Vorauszahlungsbescheid für 10/2007, am 16.01.2008 einen USt-Vorauszahlungsbescheid für 11/2007 und am 11.02.2008 einen USt-Vorauszahlungsbescheid für 12/2007.
Gegen die USt-Bescheide für 2001 bis 2005 und die USt-Vorauszahlungsbescheide für 2006 und 2007 legte der Kl. Einspruch ein. Er verwies auf Bescheinigungen der [Krankenkassen], wonach diese auf Antrag ihren Mitgliedern die an den Kl. gezahlten Gebühren ganz bzw. teilweise erstatteten, wobei in einigen Bescheinigungen als Erstattungsgrundlage § 20 SGB V genannt wurde. Sein Schwimmunterricht sei eine belehrende Tätigkeit gemäß § 4 Nr. 22 a UStG. Die kommunalen Schwimmbadbetreiber seien seine Kooperationspartner, mit denen er seine Kursangebote abstimme. Soweit in seinem Einzugsbereich ansässige Volkshochschulen gleichartige Kurse anböten, behandele die Finanzverwaltung deren Leistungen nach § 4 Nr. 22 UStG als steuerfreie Umsätze, was gegen den Gleichheitssatz verstoße. Im USt-Bescheid für 2006 vom 22.11.2007 behandelte das FA die vom Kl. in 2006 erzielten Umsätze als steuerpflichtig.
Durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 19.02.2008 wies das FA den Einspruch gegen die USt-Bescheide 2001 bis 2005 und die USt-Vorauszahlungsbescheide für 2006 und 2007 als unbegründet zurück, wobei das FA in den Gründen der EE ausführte, dass der USt-Bescheid 2006 vom 22.11.2007 Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden sei. Die Umsätze des Kl. seien weder nach dem UStG noch nach der Richtlinie 77/388/EWG noch nach der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie 2006/112/EG (MwSt-SystRL) umsatzsteuerbefreit, weil ein eigenwirtschaftlichen Zwecken dienendes Unternehmen den Schwimmunterricht und das Aqua-Jogging bzw. die Aqua-Fitness-Kurse...