Entscheidungsstichwort (Thema)
Auszahlung an nicht unterhaltspflichtigen Vater
Leitsatz (redaktionell)
1) Nach § 74 Abs. 2 EStG iVm § 104 SGB X hat ein nachrangig verpflichteter Sozialleistungsträger einen Erstattungsanspruch gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger, soweit der nachrangige Leistungen erbracht hat.
2) Dieselben Grundsätze sind anzuwenden, wenn ein nachrangiger Sozialleistungsträger für einen Angehörigen Leistungen erbracht hat und ein anderer mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen hat.
Normenkette
SGB X §§ 104, 107; EStG §§ 62, 74 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob Kindergeld für ein volljähriges, behindertes Kind, das u. a. Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen hat, an den mangels eigener finanzieller Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtigen Vater auszuzahlen ist.
Der Kläger (Kl.) ist der Vater des am 26.04.1962 geborenen Kindes M. M. ist zu 100 % schwerbehindert und war bis Oktober 1999 stationär in C. untergebracht. Die Kosten trug der Landschaftsverband X.. Der Kl. und seine Ehefrau waren mangels eigener finanzieller Leistungsfähigkeit nicht an den Kosten beteiligt. Ab 01.11.1999 bewohnte M. eine eigene Wohnung. Er erhielt von der Stadt C. Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt) i. H. v. monatlich 1.588 DM, Eingliederungshilfe gemäß §§ 39, 40 BSHG i. H. v. monatlich 3.397 DM (ab 01.06.2000: monatlich 2.660 DM) sowie ab 01.01.2001 Hilfe zur Pflege. Es wird wegen der Bezüge des M. auf das Schreiben der Stadt C. an die Beklagte (Bekl.) vom 11.01.2001 Bezug genommen. Der Kl. und seine Ehefrau wurden für den Unterhalt von M. von der Stadt C. nicht in Regress genommen. Die Stadt C. meldete bei der Bekl. Erstattungsansprüche an.
Der Kl. beantragte am 08.01.2000 für M. Kindergeld. Die Bekl. setzte ab Dezember 1999 Kindergeld für M. fest und teilte gleichzeitig mit, dass der Anspruch von Dezember 1999 bis Juni 2002 i. H. v. 4.088,90 EUR wegen des Erstattungsanspruchs der Stadt C. als erfüllt gelte (Bescheid vom 04.02.2002).
Dagegen legte der Kl. Einspruch ein. Der Kl. trug zur Begründung vor, die Stadt C. habe gar keinen Erstattungsanspruch gegen ihn. Eine Auszahlung des Kindergelds an den Träger der Sozialhilfe gemäß § 74 Abs. 1 EStG komme nicht in Betracht, weil der Kl. eigenen Aufwand zur Betreuung seines Kindes habe. Eine Überleitung des Kindergeldanspruchs auf die Stadt C. sei rechtswidrig, weil die Stadt C. keine Unterhaltsansprüche gegen den Kl. habe. Der Einspruch wurden mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 02.08.2002 als unbegründet zurückgewiesen.
Neben dem Kl. machte auch M. mit Schreiben vom 18.07.2002 für den Zeitraum Dezember 1999 bis Juni 2002 Kindergeldansprüche geltend.
Am 05.09.2002 erhob der Kl. Klage. Er nimmt im Wesentlichen Bezug auf seinen Einspruch und trägt ergänzend vor, die Bekl. sei irrig davon ausgegangen, dass das Kindergeld dem M. zustehe. Tatsächlich stehe es aber dem Kl. zu. M. sei in der Vergangenheit und auch noch heute auf ständige Hilfe seiner Eltern angewiesen. Diese leisteten einen finanziellen Beitrag, der das monatliche Kindergeld übersteige. Wegen der Einzelheiten der Unterstützungsleistungen wird auf den Schriftsatz des Kl. vom 09.03.2006 Bezug genommen.
Der Kl. beantragt,
den Bescheid der Bekl. vom 04.07.2002 in der Fassung der EE vom 02.08.2002 aufzuheben und die Bekl. zu verpflichten, dem Kl. antragsgemäß Kindergeld für Dezember 1999 bis Juni 2002 in Höhe des noch nicht gezahlten Teils von 4.088,90 EUR auszuzahlen.
Die Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, in Höhe des streitigen Betrags von 4.088,90 EUR sei das Kindergeld an die Stadt C. gezahlt worden, da diese für den Zeitraum Dezember 1999 bis Juni 2002 ohne Anrechnung des Kindergelds Hilfe zum Lebensunterhalt an M. gezahlt habe. Der den Erstattungsbetrag übersteigende Betrag i. H. v. 276,10 EUR sei an den Kl. ausgezahlt worden. Die Stadt C. habe an M. Sozialleistungen erbracht und dabei das Kindergeld nicht angerechnet, daher habe sie gegenüber der vorrangig zur Leistung verpflichteten Bekl. einen Erstattungsanspruch.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).
Der Senat legt den Antrag des Kl. der Gestalt aus, dass der Kl. sich gegen die Abrechnung gem. § 218 Abs. 2 AO wehren will, mit der das Erlöschen eines Teils seines Kindergeldanspruchs festgestellt wurde. Der Bescheid des Bekl. vom 04.07.2002 hat zwei Regelungsgegenstände. Zum einen wird darin das Kindergeld ab Dezember 1999 zu Gunsten des Kl. festgesetzt. Dagegen will der Kl. sich nicht wehren. Zum anderen wird aber auch das Erlöschen des Kindergeldanspruchs gemäß § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. § 107 SGB X festgestellt. Diese Regelung stellt eine Abrechnung i. S. v. § 218 Abs. 2 AO dar. Für einen Abrechnungsbescheid ist nicht erforderlich, dass ein darauf gerichtete...