Entscheidungsstichwort (Thema)
Ende der Steuerpflicht bei Nichtbenutzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Fahrzeug ist nach den für die Kraftfahrzeugsteuer maßgeblichen verkehrsrechtlichen Vorschriften erst dann nicht mehr zum Verkehr zugelassen, wenn sowohl die Kennzeichen entstempelt wurden als auch die Außerbetriebsetzung in die Zulassungsbescheinigung eingetragen wurde.
2. Wenn der Steuerschuldner glaubhaft macht, dass das Fahrzeug ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr benutzt worden ist und er die Abmeldung des Fahrzeugs nicht schuldhaft verzögert hat, dann ist der frühere Zeitpunkt zu Grunde zu legen.
3. Das Tatbestandsmerkmal „nicht schuldhaft verzögert” in § 5 Abs. 4 S. 2 KraftStG ähnelt dem Begriff „unverzüglich” in § 121 Abs. 1 S. 1 BGB.
4. Unverzüglich erfolgt nach der Rechtsprechung eine Handlung nur, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungsfrist vorgenommen wird.
5. Die Anforderungen an das Verhalten bei der Prüfung des Merkmals „nicht schuldhaft verzögert” i.S. des § 5 Abs. 4 S. 2 KraftStG sind im Gesetz nicht definiert. Um die Kraftfahrzeugsteuerpflicht zu beenden, muss das Fahrzeug bei der Zulassungsbehörde außer Betrieb gesetzt werden. Den Fahrzeughalter trifft kein Verschulden an der verzögerten Abmeldung des Fahrzeugs, wenn dieses nach einem Unfall in Italien von der dortigen Polizei beschlagnahmt wurde.
Normenkette
KraftStG § 5 Abs. 4 S. 2, § 7 Nr. 1; FZV § 14 Abs. 1; BGB § 121 Abs. 1 S. 1; FGO § 155; ZPO § 294; KraftStG § 5 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, zu welchem Zeitpunkt die Steuerpflicht des Klägers als Halter seines Fahrzeugs endete.
Der Kläger war Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen X. Er hatte zusammen mit seiner Ehefrau in der Zeit von 2009 bis Juni 2020 neben seinem Wohnsitz in Deutschland auch einen gemeldeten Wohnsitz in Italien. Am 06.01.2020 war der Kläger mit seinem Fahrzeug an einem Verkehrsunfall in Italien beteiligt. Im Zuge der Ermittlungen der hinzugezogenen Polizeibediensteten (Carabinieri) beschlagnahmten diese das Fahrzeug des Klägers und zogen den Fahrzeugschein ein. Begründet wurde diese Maßnahme damit, dass Personen mit einem italienischen Wohnsitz – wie der Kläger – verpflichtet seien, ihr Fahrzeug in Italien zuzulassen. Dem Kläger wurde aufgegeben, dementsprechend sein Fahrzeug auf eine italienische Zulassung umzuschreiben (vgl. zur Rechtsgrundlage Schreiben des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland vom 30.07.2020). Weiter wurde dem Kläger untersagt, sein Fahrzeug bis zur Umschreibung auf öffentlichen Straßen zu benutzen. Die Polizei erlaubte dem Kläger, das beschlagnahmte Fahrzeug zur Sicherung auf seinem Grundstück abzustellen. Von dort durfte es nicht zwecks Benutzung entfernt werden. Die schriftliche Ausfertigung der Beschlagnahme des Fahrzeugs des Klägers vom 06.01.2020 in italienischer Sprache liegt dem Gericht vor. Der Kläger folgte den Anweisungen der Polizeibediensteten und stellte das Fahrzeug auf seinem Grundstück ab. Weiter zog die Carabinieri den für die EU ausgestellten Führerschein des Klägers mit der Aufforderung gegenüber dem Kläger ein, sich eine italienische Fahrerlaubnis ausstellen zu lassen. Der Fahrzeugschein wurde an die zuständige Zulassungsstelle für Kraftfahrzeuge (Motorizzazione) in B (Ergänzung in der Neutralisierung: Ort in Italien) weitergeleitet.
Am 27.01.2020 schrieb der Kläger an das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in N – Italien – und teilte mit, dass die Carabinieri … seinen deutschen Führerschein wegen seines italienischen Wohnsitzes einbehalten habe. Weiter teilte der Kläger mit, dass er einen Anwalt beauftragt habe, den Umtausch in einen italienischen Führerschein zu beantragen. Der Umtausch scheitere jedoch daran, dass der deutsche Führerschein in N unter Verschluss liege. Sein Anwalt habe einen Termin für den 19.02.2020 erhalten. Der Kläger fragte an, ob das Verfahren beschleunigt werden könne. Mit E-Mail vom 28.01.2023 erhielt der Kläger vom Generalkonsulat die Antwort, dass das Generalkonsulat keine Möglichkeit habe, die Umschreibung des deutschen Führerscheins in Italien zu beschleunigen. Das Generalkonsulat könne den Kläger auch nicht vor italienischen Behörden vertreten. Hierzu möge sich der Kläger an seinen beauftragten Rechtsanwalt wenden.
Da eine Ummeldung des Fahrzeugs in Italien für den Kläger mit Kosten in Höhe von ca. 1.500 € bis 1.700 € verbunden gewesen wäre, entschied der Kläger, sein Fahrzeug in Italien verschrotten zu lassen. Hierzu holte der Kläger, vertreten durch die Kanzlei C mit Sitz in D, Italien, eine Bescheinigung des Verschrottungsunternehmens E (Ergänzung in der Neutralisierung: Das Verschrottungsunternehmen ist in Italien ansässig.) ein, mit der das Unternehmern zusagte, den Transport und die Verschrottung des Fahrzeugs durchzuführen. Die dem Gericht vorliegende Bescheinigung des Verschrottungsunternehmens datiert vom 17.02.2020. Die Verschrottung des Fahrzeugs des Klägers musste durch die zuständi...