Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage gegen Vorläufigkeitsvermerk
Leitsatz (redaktionell)
Die Klage gegen einen Vorläufigkeitsvermerk gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO ist unzulässig, da nach dieser Norm nur eine Änderung der Steuerfestsetzung zugunsten des Steuerpflichtigen möglich ist.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 2; AO § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Abgabenordnung (AO).
Der Kläger (Kl.) übertrug aufgrund notariellen Vertrages vom 20.09.2002 u.a. auf seine Ehefrau IC im Wege der Schenkung diverses Betriebsvermögen (BV) und verpflichtete sich zur Übernahme der Schenkungsteuer. Zu den Einzelheiten wird auf die Kopie der notariellen Vertragsurkunde (Bl. 2-8 der Steuerakten zur StNr. 000/0000/0000) verwiesen.
Bezüglich dieser Schenkung setzte der Beklagte (Bekl.) gegen den Kl. unter Berücksichtigung der Steuerbefreiungen nach § 13 a Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) durch Bescheid vom 25.04.2005 Schenkungsteuer i.H.v. 25.707 Euro fest. Die Steuerfestsetzung erfolgte gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO in vollem Umfang vorläufig im Hinblick auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren II R 61/99. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Steuerbescheid (Bl. 6-12 der Gerichtsakte – GA –) verwiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kl. am 09.05.2005 Sprungklage, die dem Bekl. am 17.05.2006 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 10.06.2005, eingegangen beim Gericht am 16.06.2005, erteilte der Bekl. seine Zustimmung zur Sprungklage.
Zur Begründung trägt der Kl. vor, dass zwar die Feststellungen zur Höhe des Erwerbs nicht zu beanstanden seien, der Bescheid jedoch nicht vorläufig nach § 165 AO hätte ergehen dürfen. Zwar sei beim BFH ein Revisionsverfahren anhängig, jedoch könne dies nicht zu seinen Lasten gehen. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 13 a ErbStG im Hinblick auf einen Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) dürfe bei dem Erlass des Schenkungsteuerbescheides gegen ihn keine Rolle spielen. Denn aus Vertrauensschutzgründen könne das BVerfG allenfalls zu Gunsten eventuell ungerechtfertigt Benachteiligter entscheiden und nicht etwa zu seinen Ungunsten. Damit erübrige sich die Notwendigkeit einer vorläufigen Steuerfestsetzung. Es gehe darum, diejenigen zu schützen, in deren Interesse ein Einspruch läge, weil die anstehende Entscheidung des BVerfG ihre Rechtsposition verbessern könnte. Denjenigen, die wie er, kein Interesse an einem Einspruch hätten, dürfe aber die durch einen vorbehaltlosen Bescheid bewirkte Rechtssicherheit nicht verwehrt werden. Im Übrigen sei der Bescheid schon deshalb rechtswidrig, weil der Bekl. nicht erkannt habe, dass er eine Ermessensentscheidung habe treffen müssen. Der Bekl. habe sein Ermessen nicht ausgeübt, da der Vorläufigkeitsvermerk vollautomatisiert in den Bescheid aufgenommen worden sei. Dem Rechtsschutzinteresse des Kl. stehe auch § 176 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht entgegen. Zwar schütze § 176 Abs. 1 AO in der geltenden Form durchaus das Vertrauen des Stpfl. in die Gültigkeit einer Rechtsnorm bei der Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden. Diese Norm könne aber im Wege einer einfachen Gesetzesänderung vom Gesetzgeber beseitigt werden. Daran ändere auch das Rückwirkungsverbot nichts, das der Gesetzgeber bereits in der Vergangenheit immer wieder infrage gestellt habe. Diese Ungewissheit dürfe nicht zu Lasten des Steuerbürgers gehen, der ein Recht darauf habe, aus Gründen der Rechtssicherheit, endgültig beschieden zu werden. Im Streitfall seien die Besteuerungsgrundlagen und die Rechtslage bekannt. Deshalb sei eine Vorläufigkeit nicht gerechtfertigt. Es könne dem Kl. nicht zugemutet werden, mehrere Jahre in Rechtsunsicherheit zu bleiben, bis das BVerfG über die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Rechtsnormen entschieden habe.
Der Kl. beantragt,
den Schenkungsteuerbescheid vom 25.04.2005 betreffend den Erwerb der Frau IC aus der Schenkung des Kl. vom 28.10.2004 aufzuheben und ohne Vorbehalte erneut zu erlassen;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Entscheidungsgründe
Zur Begründung führte der Bekl. im Wesentlichen aus, in Folge des unter dem Aktenzeichen II R 61/99 beim BFH anhängigen Revisionsverfahrens habe die Finanzverwaltung am 06.12.2001 (BStBl I 2001 Seite 985) gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden veröffentlicht, wonach Erbschaftsteuer- (ErbSt-) bzw. Schenkungsteuerfestsetzungen nach § 165 Abs. 1 AO in vollem Umfang für vorläufig zu erklären seien. Ein Raum für eine Ermessensentscheidung im Einzelfall bestehe für den Bekl. nicht. Die Vorschrift des § 176 Abs. 1 AO schütze ausdrücklich das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Gültigkeit einer Rechtsnorm, der Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift bei Aufhebungen oder Änderungen von Steuerbescheiden. Das Rechtsschutzbedürfnis des Bekl. sei hierdurch hinreichend befriedigt.
Der Senat en...