Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Überbesteuerung von bereits versteuerten, aus Leibrenten der gesetzlichen Rentenversicherung bezogenen Einkünften ohne Eingreifen der sog. Öffnungsklausel
Leitsatz (redaktionell)
1) Bei der Prüfung, ob nachgezahlte Beiträge die jährlichen Höchstbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung überschreiten, ist nach Auffassung des Gerichts der Zeitraum maßgeblich, in dem die Zahlungen erfolgen und nicht der Zeitraum, für den die Nachzahlungen erbracht werden (sog. "In-Prinzip"). Dies gilt auch für die sog. Öffnungsklausel gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 a) bb) Satz 2 Halbs. 2 EStG.
2) Eine Doppelbesteuerung von gezahlten Versicherungsbeiträgen und bezogenen Rentenleistungen wird dann vermieden, wenn die Summe der nicht steuerbaren Teile der Bruttorente die Summe der aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge erreicht oder übersteigt. In einem solchen Fall kommt es auf die Verfassungsmäßigkeit der neuen Rentenbesteuerung nicht an, so dass ein Finanzgericht die Regelungen dem BVerfG nicht vorlegen muss.
3) Bei der Berechnung von erbrachten Beiträgen ist kein Inflationsausgleich durchzuführen.
4) Das Vertrauen der Steuerpflichtigen in den Fortbestand der Ertragsanteilsbesteuerung von Rentenleistungen muss hinter den berechtigten Allgemeininteressen an einer Neuordnung der Altersvorsorgebesteuerung mit einer Neufestsetzung der Ertragsanteile zurücktreten.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1 S. 3 a) bb) S. 2 Hs. 2, S. 3 a) aa)
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Besteuerung der Renteneinkünfte der Kläger gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterbezügen (Alterseinkünftegesetz – AltEinkG) vom 5. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt (BGBl.) I 2004, 1427).
Der am 13. Januar 1926 geborene Kläger und die am 7. September 1934 geborene Klägerin wurden für 2005 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger leistete für den Zeitraum 1. April 1940 bis zum 31. Dezember 1986 und die Klägerin für den Zeitraum 1. Juni 1949 bis zum 30. April 1992 Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheinigungen der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 15. und 22. Mai 2006 verwiesen.
Die Klägerin ließ sich nach ihrer Heirat im Jahr 1959 die für sie entrichteten Beiträge von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auszahlen.
Zum 1. Januar 1968 schloss der Kläger mit der O. Lebensversicherung AG eine (befreiende) Lebensversicherung ab. Die Versicherungssumme wurde zum 1. Januar 1991 fällig (Dokument Nr. xxx). Er erhöhte nachträglich zweimal den Versicherungsschutz. Die in den Nachträgen vereinbarten Vertragsdauern liefen vom 1. Januar 1972 bis zum 1. Januar 1991 (Versicherungsschein Nr.: yyy) bzw. vom 1. Juli 1971 bis zum 1. Juli 1991 (Versicherungsschein Nr.: zzz).
Der Arbeitgeber des Klägers leistete Zuschusszahlungen zu dieser Lebensversicherung, die er ab dem 1. Januar 1979 auf Antrag des Klägers einstellte.
Neben den Leistungen an die befreiende Lebensversicherung entrichtete der Kläger – wie bisher – Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung. Insgesamt wurden für den Kläger Beiträge in Höhe von 337,71 Reichsmark (Jahre 1940 bis 1947) und 97.296 DM (Jahre 1948 bis 1986) geleistet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 22. Mai 2006 verwiesen.
Die O. Lebensversicherung AG zahlte dem Kläger bei Fälligkeit der Lebensversicherung im Jahr 1991 eine einmalige steuerfreie Versicherungsleistung.
In dem Zeitraum von 1988 bis 1992 wurden für die Klägerin Beiträge in Höhe von insgesamt 20.692,90 DM an die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet. In dieser Summe sind zwei freiwillige nachträgliche Zahlungen der Klägerin enthalten, die die Klägerin in den Jahren 1990 und 1992 für den Zeitraum 1. Juni 1949 bis zum 30. September 1959 in Höhe von 7.700 DM (1990) bzw. 9.189 DM (1992) geleistet hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 15. Mai 2006 verwiesen.
Im Streitjahr bezogen die Kläger unter anderem jeweils eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der Kläger ab dem 1. Februar 1989 und die Klägerin ab dem 1. Oktober 1999.
Die Kläger vereinnahmten in den Jahren 1999 bis 2005 Rentenzahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 243.738 DM (Kläger) bzw. 79.203 DM (Klägerin). In den Einkommensteuerbescheiden für diese Jahre wurden hiervon Beträge in Höhe von insgesamt 77.833 DM (Kläger) bzw. 24.585 DM (Klägerin) als steuerpflichtige Einnahmen bei den sonstigen Einkünften der Kläger zugrunde gelegt. Die Differenzen in Höhe von 165.565 DM (Kläger) bzw. 54.618 DM (Klägerin) blieben steuerfrei.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger die Rentenzahlungen der gesetzlich...