Entscheidungsstichwort (Thema)
Inländischer Wohnsitz bei Auslandsaufenthalt
Leitsatz (redaktionell)
Verlassen die gemeinsamen Kinder mit ihrer Mutter Deutschland für einen voraussichtlichen Zeitraum von einem Jahr, führt dieses zur Aufgabe des inländischen Wohnsitzes beim Vater.
Normenkette
EStG § 63; AO §§ 8-9; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger Kindergeld ab Oktober 2010 für seine vier Kinder zusteht.
Der Kläger, der aus Palästina stammt, lebt seit Juli 1982 in Deutschland. Seine Ehefrau, die er im Juli 1996 geheiratet hat, stammt ebenfalls aus Palästina. Die Eheleute besitzen inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit. Seit Juli 1993 ist der Kläger als Sachbearbeiter bei der Firma R in U, einer Tochter der Firma E, beschäftigt. Ihre Kinder T (geboren am 26.09.1998), M (geboren am 01.01.2001), H (geboren am 26.12.2006) und I (geboren am 01.03.2008) sind in Deutschland geboren und leben hier seit ihrer Geburt. Soweit die Kinder schulpflichtig waren, sind sie in D zur Schule gegangen. Seit 2005 lebt die Familie in dem vom Kläger und seiner Ehefrau erworbenen Haus A-Straße 1 in D.
Im Sommer 2010 war der Kläger mit seiner Familie in seiner Heimat in B im
Westjordanland, das seit 1967 von Israel besetzt ist und das zum Teil seit 1994 unter palästinensischer Verwaltung steht. Nach den Angaben des Klägers besuchten seine Kinder während ihres Aufenthalts in den Sommerferien in B eine Schule, um dort die Kultur ihrer Herkunft und auch die arabische Sprache besser lernen zu können. Seine Frau und er hätten sich dann entschlossen sich, die Kinder, sofern sich dieses in der Schule in D vereinbaren lasse, für ein halbes Jahr und ggf. dann auch länger für ein weiteres Schulhalbjahr in B zur Schule gehen zu lassen, da es den Kindern in der Schule in B sehr gut gefallen habe. Ziel sei es, dass die Kinder über hinreichende Arabischkenntnisse verfügten. Der Kläger beantragte daraufhin, nachdem er nach Deutschland zurückgekehrt war, für T, damals zwölf Jahre alt, und M, damals neun Jahre alt, bei den deutschen Schulen eine Beurlaubung, die auch erteilt wurde, und zwar für das Schuljahr 2010/2011. Auf die Bescheinigungen der Realschule vom 21.09.2010 (T) und der O-Schule vom 22.09.2010 (M) wird Bezug genommen.
In B besuchen T und M die P-School. Auf die Bescheinigungen vom 15.09.2010 wird hingewiesen. Die Ehefrau des Klägers lebt seit Sommer 2010 mit ihren vier Kindern bei ihren Eltern. Das Haus gehört der Familie der Ehefrau des Klägers.
Der Kläger trägt vor, es sei von vornherein geplant gewesen, dass nach Ablauf von maximal einem Jahr seine Ehefrau mit den Kindern wieder nach Deutschland zurückkehre. Das ergebe sich schon aus den Beurlaubungsbescheiden der Kinder, da die Beurlaubung jeweils lediglich für ein Schuljahr ausgesprochen worden sei. Die Kinder seien in der Bundesrepublik Deutschland vollständig sozialisiert und hätten hier ihren Lebensmittelpunkt ebenso wie dies bei der Ehefrau des Klägers der Fall sei. Der Kläger habe daher keinerlei Veranlassung gesehen, die Beklagte über die Veränderung dieser Lebensumstände in Kenntnis zu setzen.
Die Beklagte hatte aufgrund einer Mitteilung eines anonymen Anrufers im September 2010 erfahren, dass sowohl die Ehefrau als auch die vier Kinder des Klägers von einem Auslandsaufenthalt nicht zurückgekehrt seien.
Die Beklagte hob daraufhin die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung ab Oktober 2010 für die Kinder des Klägers nach § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) auf. Denn sie hätten weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland noch in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung finde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Aufhebungsbescheid vom 17.09.2010 Bezug genommen.
Der Kläger legte Einspruch ein. Die Familie lebe vorübergehend im Ausland, damit die Kinder ihre Muttersprache lernen könnten. Seine Ehefrau und seine Kinder seien weiterhin in D A-Straße 1 gemeldet.
Den Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 30.11.2010 als unbegründet zurück.
Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Wohnsitz sei in Deutschland nicht aufgegeben worden. Es habe nämlich nie die Absicht bestanden, den Lebensschwerpunkt nach Palästina zu verlegen. Der Aufenthalt in Palästina solle lediglich dazu dienen, den Kindern ihre kulturelle Herkunft zu verdeutlichen und es ihnen zu ermöglichen, die arabische Sprache zu erlernen. Es sei stets beabsichtigt gewesen, dass seine Frau mit den Kindern nach einer Zeit von maximal einem Jahr wieder nach Deutschland zurückzukehre. Dies sei auch weiterhin der Fall.
Es seien auch keinerlei Merkmale erkennbar, die dafür sprechen könnten, dass auf Dauer ein Aufenthalt der Kinder in Palästina beabsichtigt sei. Die Familie besitze in Deutschland Wohneigentum und der Kläger sei als einziger Ernährer der Familie in der Bundesrepublik Deut...