Entscheidungsstichwort (Thema)
Organschaft; Frage der organisatorischen Eingliederung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine organisatorische Eingliederung liegt regelmäßig vor, wenn Personenidentität in den Leitungsgremien von Organträger und Organgesellschaft besteht. Daneben kann sich die organisatorische Eingliederung auch daraus ergeben, dass leitende Mitarbeiter des Organträgers als Geschäftsführer bzw. Vorstand der Organgesellschaft tätig sind. Im Streitfall liegt keine Personenidentität in den Vertretungsorgangen vor, denn im Jahr 2011 gab es kein Vorstandsmitglied des Stpfl., das auch Mitglied im Vorstand der Gesellschaft war. Gleiches gilt für die Vertretung durch einen leitenden Mitarbeiter.
2. Die Pflicht zur Berichterstattung aufgrund eines umfangreichen Berichtswesens allein gewährt ebenfalls keinen rechtlich verbindlichen Einfluss auf die laufende Geschäftsführung des Stpfl.
Normenkette
MwStSystRL Art. 11 Abs. 1; AktG § 17; UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
Strittig ist, ob im Jahr 2011 zwischen dem Kläger als Organträger und der B-Bank AG (B) als Organgesellschaft eine umsatzsteuerliche Organschaft bestand.
Der Kläger hielt in 2011 eine Beteiligung von 100 % am Grundkapital der B und verfügte über die Mehrheit der Stimmrechte.
Die B war Teil der strategischen Ausrichtung innerhalb des Konzerns des Klägers. In der Sparte Finanzdienstleistungen war B Produktgeber zahlreicher Finanzdienstleistungsprodukte. Die B wurde durch den Kläger mit dem Ziel erworben, Finanzdienstleistungsprodukte zur Kundenbindung und zur Neuakquisition im Versicherungsgeschäft einsetzen zu können. Die Finanzdienstleistungsprodukte der B in den Bereichen … und … waren für das Versicherungsgeschäft des Klägers von besonderer Bedeutung. Die Produktgestaltung fand unter Führung des Klägers statt.
Die B war – neben dem Rechnungswesen, dem Portfolio-Management, den Immobilien, den Finanzdienstleistungen und der allgemeinen Verwaltung – I, einem von fünf Vorständen des Klägers, verantwortlich unterstellt. I erzielte im Jahr 2011 eine variable Vergütung. Der Anteil der variablen Vergütung, die I durch von der B erreichte Ziele erhielt, belief sich auf 6,5 %.
Das Rechnungswesen des Klägers und der B waren eng miteinander verknüpft. Zwischen den zuständigen sachbearbeitenden Stellen und den Vorständen des Klägers und der B bestand ein standardisierter Informationsaustausch. Entscheidungen in Einzelfragen betreffend das Rechnungswesen auf Ebene der B waren mit dem zuständigen Leiter des Rechnungswesens des Klägers oder dem zuständigen Vorstand des Klägers abzustimmen. Die Finanzbuchhaltung der B war auf den Kläger ausgelagert. Das Rechnungswesen des Klägers erledigte die Buchführungskoordination und die Erstellung von Benutzerkonten auch für die B. B berichtete die Finanz- und Kapitalanlagedaten monatlich an das Rechnungswesen und das Portfolio-Management des Klägers.
Der Kläger und B stimmten sich über die Risikostrategie ab, wobei sämtliche Risikomanagementaufgaben Gegenstand der Abstimmung waren. B erstellte quartalsweise Risikoberichte, die vor der Übersendung an die Bankenaufsicht mit dem Vorstand des Klägers besprochen wurden. B lieferte I und dem Risikomanager des Klägers quartalsweise Berechnungen zur Risikotragfähigkeit und zu den Eigenkapitalerfordernissen der B. Zudem berichtete B gegenüber I und den beim Kläger Verantwortlichen zu Einzelrisiken, wie Wohnbaudarlehen und Adressausfallrisiken. Einmal im Jahr trafen sich I und der Vorstand der B zum Thema Risikomanagement und Strategie. Außerdem berichtete B dem verantwortlichen Vorstand des Klägers über wesentliche Kundenbeschwerden. Der Kläger und B benutzten eine einheitliche EDV-Struktur. Das Hosting der Server wurde durch den Kläger für die B vorgenommen. Die IT-Arbeitsgruppe wurde personell ganz überwiegend durch Mitarbeiter des Klägers besetzt. Sämtliche relevanten Softwareinvestitionen seitens B mussten vom Kläger genehmigt werden. Die bei B zu verwendende Software wurde durch den Kläger vorgegeben. Beim Kläger waren einige für B relevante Prozesse, wie das Druckstraßensystem, das Archivsystem und der Versand von Unterlagen konzentriert. B nutzte die Vertriebsorganisation des Klägers. Die Bankprodukte der B wurden über die Außendienstorganisation des Klägers vertrieben, die ihrerseits mit selbständigen Vermittlern arbeitete. In der Schalterhalle der B wurden für die regionalen Kunden Agenturen des Klägers eingerichtet. Das Bürogebäude der B in C stand im Eigentum des Klägers.
Der Aufsichtsrat der B bestand aus sechs Personen. Vier Mitglieder, insbesondere der Vorsitzende und sein Stellvertreter, wurden durch den Kläger besetzt, zwei Mitglieder waren Arbeitnehmer der B. Nach Ziffer IV Nr. 1 bis 15 der Geschäftsordnung für den Vorstand der B bedurften die folgenden Geschäfte der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats:
- Die Jahresplanung auf der Grundlage einer mittelfristigen strategischen Planung. Sie besteht mindestens aus Umsatzplanung; Planbilanz und Plan-Gewinn- und Verlustrechnun...