Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zur Betriebsunterbrechung und Betriebsverpachtung
Leitsatz (redaktionell)
1) Verpachtet ein Freiberufler (Tierarzt) ausschließlich die Räumlichkeiten einer freiberuflichen Praxis an den Nachfolger, kann eine Betriebsverpachtung im Ganzen nur vorliegen, wenn diese Räumlichkeiten die alleinigen wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellen.
2) Wesentliche Betriebsgrundlage einer Tierarztpraxis sind auch der Praxiswert und der Patientenstamm. Werden diese immateriellen Werte anlässlich der Praxisübergabe an den Nachfolger veräußert, liegt weder eine Betriebsverpachtung im Ganzen noch eine Betriebsunterbrechung vor, sondern eine Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 3 S. 2, § 16 Abs. 3 S. 1
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 13.05.2019; Aktenzeichen VIII B 16/19) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Aufgabegewinn für seine Tierarztpraxis zu versteuern hat. Streitjahr ist 2013.
Der Kläger war seit dem Jahr 2002 am Standort P-Straße im Gewerbegebiet S-Stadt als Tierarzt im Bereich Großtiere in eigenen Räumlichkeiten tätig. Einen Teil der Räume vermietete er ab dem 1.1.2002 an Frau V. G., die sie bis heute als Tierärztin im Bereich Kleintiere nutzt.
Am 5.3.2013 schloss der Kläger mit der weiteren Tierärztin, Frau V. N., einen „ Vertrag über die Übergabe/Übernahme einer Praxis” (nachfolgend „Praxisübergabevertrag”). Ausweislich § 1 des Praxisübergabevertrages, der überschrieben ist mit „Übergabe/Übernahme einer Praxis”, übergab der dort als „Verkäufer” bezeichnete Kläger seine Tierarztpraxis in S-Stadt zum 1.4.2013 an die dort als „Käufer” bezeichnete Frau N.. Mit dem Tage der Übergabe sollten sämtliche mit der Führung der Praxis verbundenen Rechte und Pflichten von dem Verkäufer auf den Käufer übergehen, soweit nachstehend nichts anderes vereinbart wurde und soweit nicht zwingende Rechtsnormen entgegenstanden. In § 2 des Praxisübergabevertrages kamen der Kläger und Frau N. überein, dass sie die in den Anlagen 1 und 2 zum Vertrag aufgeführten Arzneimittel und Apothekengeräte bzw. das Instrumentarium und die Einrichtungsgegenstände der Praxis käuflich erwerben sollte, sowie das Praxisauto, einen PKW 1. § 2 Nr. 2 des Praxisübergabevertrages lautete wörtlich: „Der Kaufpreis für das Praxisauto, sowie Instrumentarium und Einrichtungsgegenstände beträgt pauschal 7.000 € (Da es sich um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen handelt, ist der Umsatz nicht steuerbar, es fällt keine Umsatzsteuer an.” Für den ideellen Wert der Praxis wurde keine Ablösung verlangt, § 3 des Praxisübergabevertrages. Bezüglich der laufenden Behandlungs- und sonstigen Aufträge sah § 4 des Praxisübergabevertrages den Eintritt von Frau N. in diese Rechtsbeziehungen vor. Die bis zum Übergabezeitpunkt entstandenen Honoraransprüche und sonstigen Ansprüche aus laufenden Aufträgen sollten dem Kläger zustehen. Für Verbindlichkeiten, die er bis zum Tage der Praxisübergabe eingegangen war, sollte er allein aufkommen, § 5 des Praxisübergabevertrages. Die der Praxis dienenden Räume im Hause sollte der Kläger gemäß § 6 des Praxisübergabevertrages an die Käuferin per gesondertem Vertrag vermieten.
Eine Betriebsaufgabe hinsichtlich der Tierarztpraxis erklärte der Kläger nicht. Zum 1.8.2013 meldete er einen Bio-Fleischhandel an.
Der Beklagte führte beim Kläger eine Betriebsprüfung für die Jahre 2011 bis 2013 durch, die u.a. die Einkommensteuer betraf. Hierbei hielt der Betriebsprüfer fest, dass Aufgabe eines Großtierarztes u.a. die ärztliche Versorgung und die medikamentöse Behandlung des (Mast-)tierbestandes von Landwirten sei. Aus ethischen Gründen sei der Kläger nach eigener Aussage nicht mehr gewillt, den enormen Medikamentenhandel zu betreiben. Das sei einer der Gründe für die Abgabe der Großtierpraxis an Frau N. zum 1.4.2013 und die Anmeldung des Bio-Fleischhandels zum 1.8.2013 gewesen. Nachdem Frau N. im Jahr 2016 die Großtierpraxis eingestellt habe, nutze die Kleintierpraxis die Räumlichkeiten der Großtierpraxis mit. Es hätten Umbauten stattgefunden (Rückbau OP für Großtiere). Der Betriebsprüfer kam zu dem Ergebnis, dass eine Zwangsbetriebsaufgabe zum 31.3.2013, hilfsweise zum 31.8.2013, nach Abwicklung aller Geschäftsvorfälle, vorliege. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Betriebsprüfungsbericht vom 15.6.2016.
Der Beklagte folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ am 26.8.2016 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid 2013, in dem er einen Betriebsaufgabegewinn von 67.347,13 EUR berücksichtigte. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 12.1.2018 zurück. Gleichzeitig erhöhte er den Aufgabegewinn nach § 174 Abs. 4 AO auf insgesamt 69.128,44 EUR, als Folge einer auf Antrag des Steuerpflichtigen geänderten Umsatzsteuerfestsetzung, die nunmehr eine Geschäftsaufgabe im Ganzen berücksichtigte. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe seinen Betrieb im Jahr 2013...