Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsgeschäft nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, abhängige Person i.S.v. § 1 Abs. 4 Nr. 2a GrEStG
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kann auch durch einseitige Erklärungen erfüllt werden.
2) Die Ausübung eines vorbehaltenen Widerrufs der Schenkung eines Kommanditanteils erfüllt daher den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, wenn dadurch ein Anspruch auf Übertragung von mindestens 95% der Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet wird.
3) Eine Person, die erst nach Entstehung einer Herausgabeverpflichtung zur Rückgabe des erlangen Gesellschaftsanteils verpflichtet ist, ist keine abhängige Person i.S.v. § 1 Abs. 4 Nr. 2a GrEStG.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2a, Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) vorliegt.
Anfang 2007 waren die Söhne des Klägers (B. und C. Q.) als Kommanditisten mit jeweils 45 % an der G. GmbH & Co. KG beteiligt. Weiterer Kommanditist war der Kläger mit einem Kommanditanteil von 10 %. Komplementärin war die H. GmbH, deren Alleingesellschafter der Kläger war und die am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligt war. Die G. GmbH & Co. KG war ihrerseits mit einem Anteil von 25 % Kommanditistin der R. GmbH & Co. KG, die über Grundbesitz verfügte. Weiterer Kommanditist war der Kläger mit einer Kommanditbeteiligung von 75 %; diese hatte er im Jahr 2003 von ausscheidenden Kommanditisten erworben. Zuvor war er mit einem Anteil von 0,44 % beteiligt, den er auf die G. GmbH & Co. KG übertrug, die bereits 24,56 % der Anteile hielt. Komplementärinnen waren die S.-Gesellschaft mbH und die T.-GmbH, deren Alleingesellschafter der Kläger war und die am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligt waren.
Der Kläger hatte seinen Söhnen die Kommanditanteile an der G. GmbH & Co. KG in Höhe von jeweils … DM (jeweils 45 %) im Jahr 1995 unter Nießbrauchsvorbehalt geschenkt. Dabei hatte er sich das Recht vorbehalten, die Schenkungen „jederzeit, ohne Angabe von Gründen zu widerrufen und die Rückübertragung des geschenkten Gegenstandes an sich zu verlangen”. Auf die notarielle Urkunde vom 21.12.1995 – UR-Nr. … des Notars D.. E. (Schenkung B. Q.) – und die privatschriftliche Vereinbarung vom 21.12.1995 (Schenkung C. Q.) wird im Übrigen Bezug genommen.
Am 09.02.2007 traf der Kläger mit seinen Söhnen wortgleiche schriftliche Vereinbarungen, die mit „Vertrag über die Übertragung einer Kommanditbeteiligung” überschrieben sind. Hierin heißt es jeweils, der Kläger mache hiermit von seinem Widerrufsrecht Gebrauch und widerrufe die Schenkung des Kommanditanteils von … DM. Der Sohn nehme den Widerruf zur Kenntnis. Der Kläger verlange nunmehr die Rückübertragung des Kommanditanteils. Weiter trat der jeweilige Sohn seinen Kommanditanteil von … DM an den dies annehmenden Kläger ab. Die Abtretungen standen „unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des Kommanditanteilserwerbs an der R. GmbH & Co. KG durch U. oder ein anderes von V. kontrolliertes Unternehmen im Handelsregister der R. GmbH & Co. KG”. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verträge Bezug genommen.
Im Anschluss veräußerte der Kläger 94,9 % der Kommanditbeteiligung an der G. GmbH & Co. KG an die U. Zudem veräußerte die G. GmbH & Co. KG 19,9 % ihrer Kommanditanteile an der R. GmbH & Co. KG an die U. Auf die in der Grunderwerbsteuerakte befindlichen Vertragsunterlagen wird im Übrigen verwiesen. Der Erwerb der Kommanditanteile an der R. GmbH & Co. KG durch die U. wurde am 19.06.2007 in das Handelsregister eingetragen.
Im Jahr 2012 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung F. im Hinblick auf die Grunderwerbsteuer eine Betriebsprüfung beim Kläger durch. Die Prüfer gelangten zu dem Schluss, dass durch den in der Vereinbarung vom 09.02.2007 ausgesprochenen Widerruf der Schenkung der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht vom 06.11.2012 verwiesen.
Der Beklagte folgte der Einschätzung der Prüferinnen und erließ am 28.01.2013 einen entsprechenden Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer.
Der Kläger legte Einspruch ein. Er machte geltend, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG seien nicht erfüllt. Insbesondere fehle es an einem nach dieser Vorschrift erforderlichen Verpflichtungsgeschäft. Unabhängig hiervon sei der Feststellungsbescheid nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufzuheben.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 14.05.2013 als unbegründet zurück. Er führte aus, der Widerruf der Schenkung, den der Kläger in dem Vertrag vom 09.02.2007 erklärt habe, sei ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Für § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sei nicht erforderlich, dass das Rechtsgeschäft ein Verpflichtungsgeschäft sei. Zwar sei der häufigste Anwendungsfall in der Praxis...