Entscheidungsstichwort (Thema)
Überschusserzielungsabsicht bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Verzicht eines Steuerpflichtigen auf die mögliche Miete kann allein nicht zur Verneinung der Absicht führen, langfristig Überschüsse zu erzielen.
2) Die Absicht, langfristig Einnahmenüberschüsse zu erzielen, ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn infolge der ermäßigten Miete über mehrere Jahre hin zunächst ein Werbungskostenüberschuss entsteht oder sich erhöht.
Normenkette
EStG § 21
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen der Einkommensteuer (ESt-) veranlagung 1995, ob das Finanzamt (FA) die steuerliche Berücksichtigung eines Verlustes aus Vermietung und Verpachtung (V+V) zu Recht wegen fehlender Überschußerzielungsabsicht versagt hat.
Der Kläger (Kl.) ist von Beruf Diplomkaufmann. Er errichtete 1993 in ein Wohnhaus, dessen Gesamtkosten sich – einschließlich des Grundstücks – auf 852.370 DM beliefen und die vom Kl. fremdfinanziert wurden. Das Haus, das über eine Wohnfläche von 187,54 m² (einschließlich 24,01 m² Bodenraum) und eine Doppelgarage verfügt, vermietete der Kl. ab dem 17.12.1993 zunächst für eine Kaltmiete von 1.000 DM an seine Schwester. Der Mietzins sollte nach dem Ende der Ausbildung und mit dem Beginn eines festen Anstellungsverhältnisses der Tochter der Schwester auf das ortsübliche Maß erhöht werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Mietvertrag vom 17.12.1993 (ESt-Akte 1995) Bezug genommen.
Die vom Kl. bei den ESt-Veranlagungen 1993 und 1994 geltendgemachten Verluste aus V+V in Höhe von 63.536 DM bzw. 89.533 DM erkannte der Beklagte (Bekl.) mit geringfügigen Korrekturen an. Im Rahmen der ESt-Veranlagung 1995, bei der der Kl. einen Verlust aus V+V in Höhe von 100.432 DM erklärt hatte, vertrat der Bekl. die Ansicht, daß eine sog. Liebhaberei vorliege, denn der Kl. könne wegen des niedrigen Mietzinses und der hohen Finanzierungskosten im Endergebnis keinen Totalüberschuß aus der Vermietung des Hauses erzielen.
Hiergegen richtet sich die vom Kl. nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage, mit der er sein Begehren nach steuerlicher Anerkennung des V+V-Verlustes 1995 weiterverfolgt.
Der Kl. vertritt die Ansicht, daß ihm die Überschußerzielungsabsicht nicht abgesprochen werden könne. Er hat Berechnungen vorgelegt, wonach die Vermietung der Immobilie über einen Zeitraum von 100 Jahren zu einem Totalgewinn führen wird. Auf diese Berechnungen des Kl. (Blatt 6 – 11 der Gerichtsakte) wird verwiesen. Der Mietzins sei auch ab dem 1.6.1997 (Anstellung der Nichte des Kl. als Erzieherin) auf nunmehr insgesamt 1.825 DM monatlich erhöht worden. Schließlich liege der Mietzins auch über der 50%-Grenze des § 21 Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) mit der Folge, daß keine Werbungskostenkürzung statthaft sei.
Der Kl. beantragt,
den streitigen Verlust aus den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Jahr 1995 mit 96.968 DM anzusetzen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seinen Berechnungen, auf die verwiesen wird (Blatt 36 der Gerichtsakte), fest, wonach der Kl. aus der Vermietung des Hauses keinen Totalgewinn werde erzielen können. Maßgebend für diese Prognose seien die Verhältnisse des Jahres 1995. Die erst im Veranlagungszeitraum 1997 erfolgte Erhöhung des Mietzinses müsse außer Betracht bleiben. Hilfsweise – so die Ansicht des Bekl.– finde § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG (Kürzung der Werbungskosten – Wk–) Anwendung, da der vom Kl. mit seiner Schwester vereinbarte Mietzins weniger als 50% der ortsüblichen Marktmiete betrage.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Bekl. hat es zu Unrecht abgelehnt, den Verlust des Kl. aus der Vermietung des Hauses bei der ESt-Veranlagung 1995 zu berücksichtigen. Der Senat vermag der Ansicht des Bekl., wonach dem Kl. die Überschußerzielungsabsicht fehle, nicht zu folgen.
Ein Steuerpflichtiger erzielt zwar nur dann Einkünfte aus V+V gemäß § 21 Abs. 1 EStG, wenn er die Absicht hat, durch die Vermietung langfristig einen Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 14. September 1994 – IX R 71/93 –, BStBl II 1995, 116; BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 – GrS 4/82–, BStBl II 1984, 751 zu C. IV. 3. c). Davon ist aber grundsätzlich auszugehen, wenn ein Grundstück (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) auf Dauer vermietet wird (BFH vom 30. September 1997 – IX R 80/94 –, BStBl II 1998, 771 zu 2. c; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 4. November 1998 – IV C 3 – S 2253 – 8/98 –, BStBl I 1998, 1444). Dabei entspricht es dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG, auch solche Sachverhalte zu erfassen, bei denen über einen längeren Zeitraum hin Werbungskostenüberschüsse erzielt werden, solange es sich um übliche (typische) Fälle der Vermietung handelt. So hat der BFH entschieden, daß in Fällen langfristiger Vermietung von der Einkünfteerzielungsabsicht so lange auszugehen ist, als nicht besondere Ums...