Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung der Stundung einer Kindergeldrückforderung durch eine unzuständige Behörde
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Ausgangsbehörde und nicht die Rechtsmittelbehörde ist Beklagte i.S.d. § 63 Abs. 1 Nr. 2 FGO.
2. Für den Bereich „Inkasso” ist in Bezug auf Kindergeld die örtliche Familienkasse sachlich zuständig.
3. Wenn die Familienkasse, die für die Entscheidung über einen Stundungsantrag zuständig ist, als zuständige Behörde die Einspruchsentscheidung erlässt, führt dies nicht zur Heilung der sachlichen Unzuständigkeit bei Erlass des Ablehnungsbescheides.
4. Die Vorschrift des § 127 AO gilt nicht bei Verletzung der sachlichen Zuständigkeit.
Normenkette
BGB §§ 133, 157; AO §§ 16, 126-127; FVG § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 Sätze 1, 4; FGO § 63 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1; GG Art. 19 Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Stundung einer Erstattungsforderung.
Der Kläger bezog für seinen Sohn N laufend Kindergeld. Mit Bescheid vom 16.07.2019 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung rückwirkend ab Januar 2017 auf und forderte das für den Zeitraum von Januar 2017 bis Juni 2019 gezahlte Kindergeld i.H.v. insgesamt 6.651 € zurück. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid wurde bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 06.08.2019 beantragte der Kläger bei der Familienkasse eine Ratenzahlung des zu erstattenden Betrags mit der Begründung, dass er nicht in der Lage sei, den Rückforderungsbetrag in einer Summe zu zahlen. Die Familienkasse leitete den Antrag auf Ratenzahlung an die Beklagte weiter. Die Beklagte legte den Antrag als einen solchen auf Stundung aus und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 10.09.2019 mit, dass es sich bei der Erstattungsforderung um steuerrechtliches Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz handele und eine Steuerschuld grundsätzlich bei Fälligkeit in einer Summe zu zahlen sei.
Am 21.09.2010 sandte der Kläger einen erneuten Antrag auf Ratenzahlung an die Beklagte. Er führte aus, dass er im September einen Brief erhalten habe, wonach monatlich ein Betrag von 204 € von seinem Konto abgebucht werde. Er würde sich freuen, wenn die Rate auf 100 € im Monat heruntergesetzt werden könne.
Mit Bescheid vom 17.10.2019 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Stundung ab. Zur Begründung führte sie aus, dass Ratenzahlungsvereinbarungen im Bereich des Steuerrechts außerhalb einer Stundung unzulässig seien, weshalb der Bescheid im Rahmen der Stundungsablehnung ergehe. Eine Stundung sei nur möglich, wenn die sofortige Einziehung einer Steuerforderung mit erheblichen Härten für den Schuldner verbunden wäre und die Forderung durch die Stundung nicht gefährdet werde. Eine Einziehung sei dann mit einer erheblichen Härte verbunden, wenn sich der Schuldner auf die Erfüllung des Anspruchs nicht rechtzeitig vorbereiten könne oder er sich augenblicklich in ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen befinde. Als Ursache für die erhebliche Härte kämen insbesondere persönliche Gründe in Betracht. Voraussetzung für eine Stundung aus persönlichen Gründen sei die Stundungsbedürftigkeit und die Stundungswürdigkeit des Schuldners. Nach den Erkenntnissen der Beklagten sei eine Stundungswürdigkeit zu verneinen, da die Erstattungsforderung aufgrund einer Mitwirkungspflichtverletzung des Klägers entstanden sei. Eine Stundung komme daher nach pflichtgemäßem Ermessen nicht in Betracht.
Am 11.11.2019 legte der Kläger Einspruch gegen die Ablehnung der Stundung ein und bot eine Ratenzahlung i.H.v. monatlich 150 € an. Er habe, so der Kläger weiter, in den letzten Tagen und Wochen erfolglos versucht, einen Kredit in Höhe der Erstattungsforderung zu erhalten.
Mit Schreiben vom 02.12.2019 an die Beklagte wies die Familienkasse darauf hin, dass laufend eine Aufrechnung in Höhe eines monatlichen Betrages von 100 € erfolge.
Mit Schreiben an die Familienkasse vom 18.11.2019 wandte sich der Kläger erneut gegen die Ablehnung der Ratenzahlung.
Mit Einspruchsentscheidung vom 20.12.2019 wies die Familienkasse den Einspruch des Klägers gegen die Ablehnung der Stundung als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das Steuerrecht die Rückzahlung einer Steuerschuld durch Ratenzahlung nicht vorsehe, weshalb der Antrag des Klägers auf Ratenzahlung als Stundungsantrag ausgelegt worden sei. Eine Stundung könne nicht gewährt werden. Eine Stundung setze u.a. voraus, dass die Einziehung einer Steuerforderung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde. Eine erhebliche Härte sei insbesondere dann anzunehmen, wenn sich der Schuldner aufgrund ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse vorübergehend in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten befinde oder im Fall der sofortigen Einziehung in solche geraten würde. Es sei möglich, dass der Kläger derzeit nicht in der Lage sei, die Erstattungsforderung vollständig zu erfüllen. Es handele sich bei der Entscheidung über die Stundung aber um eine Ermessensentscheidung. Hierbei sei nicht allein das In...