Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Haftung nach § 55 UStDV
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Umstand, dass dem Leistungsempfänger im USt-Voranmeldungsverfahren die Vorsteuern erstattet worden sind, schliesst eine spätere Haftung für diese Steuerbeträge nach § 55 UStDV nicht aus.
2) Im Voranmeldungsverfahren des Leistungsempfängers braucht das FA auf eine eventuell bestehende Einbehaltungs- und Abführungspflicht nicht hinzuweisen
3) Ein Besteuerungsverfahren des Leistenden im Inland schließt eine Haftungsinanspruchnahme des Leistungsempfängers nicht aus.
4) Der Leistungsempfänger kann auch dann in Haftung genommen werden, wenn die USt beim Leistenden wegen Vermögensverfalls uneinbringlich geworden ist.
Normenkette
UStG § 18 Abs. 8 Sätze 1, 1 Nr. 1, Sätze 2, 2 Nr. 3; UStDV § 51 Abs. 1, 1 Nr. 1, Abs. 2-3, 3 S. 1, §§ 54-55, 57 Abs. 2, 2 S. 2; UStG § 18 Abs. 8
Nachgehend
Tatbestand
I.
Streitig ist die Inhaftungsnahme des Klägers (Kl.) nach § 55 UStDV.
Der Kl. ist Landwirt, der zum 01.01.1997 zur Regelbesteuerung optiert hat. Er ließ in der Zeit von Juli 1997 bis Februar 1998 einen Schweinemaststall errichten. Einen Großteil der Werkleistungen führte die niederländische V. durch. Die V. erstellte Rechnungen mit offenem Umsatzsteuer (USt)-Ausweis an den Kl., die dieser in Höhe von insgesamt 591.288 DM (brutto) beglich. Wegen der Höhe der einzelnen Zahlungen und der Zahlungszeitpunkte wird auf die Aufstellung des Kl. (Gerichtsakte – GA – 15 V 4329/99 U Bl. 16) Bezug genommen. Die V. wurde beim Finanzamt B. geführt. Auf ihren Briefbögen waren eine niederländische Adresse, niederländische Telefon- und Faxnummern, eine niederländische und eine deutsche Bankverbindung und eine niederländische und eine deutsche Steuernummer angegeben.
Der Kl. erhielt die aus den Baukosten resultierenden Vorsteuerüberhänge im USt-Vorauszahlungsverfahren zunächst ausgezahlt. Nach einer USt-Sonderprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, der Kl. habe aus den von der V. abgerechneten Leistungen eine Anmelde- und Abzugspflicht gehabt und hafte für den USt-Betrag nach § 55 UStDV. Es wird auf Tz. 11 A des Außenprüfungsberichts vom 24.09.1998 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 05.11.1998 kündigte das Finanzamt B. dem Bekl. an, dass es beabsichtige, USt gegenüber der V. im allgemeinen Besteuerungsverfahren festzusetzen und dabei auch die gegenüber dem Kl. erfolgten Umsätze zu erfassen. Die V. erklärte die an den Kl. ausgeführten Leistungen beim Finanzamt B. nicht. Aufgrund des vom Beklagten (Bekl.) an das Finanzamt B. übersandten Kontrollmaterials über die an den Kl. ausgeführten Leistungen wurde vom Finanzamt B. für die V. eine USt-Veranlagung durchgeführt. Im Mai 1999 wurde über das Vermögen der V. in den Niederlanden das Konkursverfahren eröffnet. Zahlungen auf die beim Finanzamt B. festgesetzte USt leistete die V. nicht.
Am 21.04.1999 erließ der Bekl. einen Haftungsbescheid nach § 55 UStDV hinsichtlich der USt aus Leistungen der V. Dagegen legte der Kl. Einspruch ein. Aufgrund des Einspruchs wurde die Haftsumme herabgesenkt (geänderter Haftungsbescheid vom 07.06.1999). Der dagegen verbliebene Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 12.08.1999, auf die Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die Klage.
Während des Klageverfahrens erging erneut ein geänderter Haftungsbescheid vom 05.10.1999, den der Kl. zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat.
Der Kl. trägt vor, Fotokopien sämtlicher Rechnungen der V. seien dem Bekl. im USt-Voranmeldungsverfahren vorgelegt worden, und dabei seien vom Bekl. keine Beanstandungen geäußert worden. Der Geschäftsführer der V., Herr V., habe von Anfang an darauf hingewiesen, dass die V. ihre steuerlichen Pflichten beim Finanzamt B. erfülle. Er habe auch behauptet, dass er seine Geschäftsleitung in Deutschland habe und hier ständig größere Bauvorhaben abwickle. Wären vom Bekl. im Rahmen des USt-Voranmeldungsverfahrens gegenüber dem Kl. Bedenken gegen den Wahrheitsgehalt der Äußerungen des Herrn V. geäußert worden, hätte der Kl. reagieren können und keine weiteren Zahlungen an die V. geleistet. Der Bekl. habe daher gegen seine Pflicht zur Sachverhaltsermittlung verstoßen. Das Abzugsverfahren sei im Streitfall nicht geboten, denn die V. sei gemäß § 12 Satz 2 Nr. 8 AO als im Inland ansässig zu betrachten, weil das Bauvorhaben beim Kl. länger als 6 Monate gedauert habe. Außerdem habe die V. neben der Bauausführung beim Kl. weitere Bauvorhaben ausgeführt, worauf der Kl. schon im Einspruchsverfahren hingewiesen habe. Es hätten zunächst auch keine begründeten Zweifel über die Ansässigkeit der V. bestanden. Zweifel seien beim Bekl. erst aufgetaucht, als über das Vermögen der V. das Konkursverfahren eröffnet worden sei und sie ihre USt-Schulden nicht zahlen gekonnt habe. Durch die Erstattung der Vorsteuerbeträge im Voranmeldungsverfahren habe der Bekl. nach Abschnitt 237 Abs. 3 UStR eine Ermess...