Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuerhaftung eines GmbH-Geschäftsführers bei Insolvenz
Leitsatz (redaktionell)
1) Unterlässt ein GmbH-Geschäftsführer es, die angemeldete, fällige Lohnsteuer, KiSt und Soli bis zum Ablauf des 10. des Folgemonats abzuführen und wird an diesem 10. des Folgemonats der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, so haftet er für die nicht abgeführten Steuern gem. §§ 69, 34 AO.
2) Daran ändert es nichts, wenn nachträglich - vorgetragen, aber nicht bewiesen - ein Insolvenzverwalter unter Hinweis auf die Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers gem. § 64 Abs. 2 GmbHG ein Zahlungsverbot bzw. die Anfechtung einer etwaigen Zahlung gegenüber dem Geschäftsführer ausgesprochen hat.
Normenkette
AO § 34; GmbHG § 64 Abs. 2; EStG § 42d; AO § 69
Nachgehend
Tatbestand
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides.
Der Kläger war zusammen mit Herrn L. H. Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer der … GmbH (im Folgenden kurz: GmbH). Mehrheitsgesellschafter mit einem Anteil von über 75 % war Herr L. C. Q.. Die Gesellschaft entwickelte Software.
Die Lohnsteueranmeldung 07/2001 über insgesamt … DM / … EUR ging am 06.08.2001 beim Finanzamt ein. Am 10.08.2001 stellten der Kläger und Herr H. für die GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht C. (… IN …/01). Mit Beschluss vom gleichen Tage (Bl. 66 der Akte) beauftragte die Richterin C1. Herrn Rechtsanwalt I. mit der Erstellung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Am 10.09.2001 wurde Herr I. zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und am 31.10.2001 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit Haftungsbescheiden vom 16.04.2003 nahm der Beklagte sowohl den Kläger als auch Herrn H. für die Lohnsteuer 07/2001 nebst Kirchensteuer, Solidaritätszuschlägen und Säumniszuschlägen i.H.v. insgesamt … EUR in Haftung. Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des an ihn gerichteten Haftungsbescheides.
Er ist der Ansicht, dass ihm keine grob fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzung i.S.d. § 69 AO vorzuwerfen sei. Dazu, dass die Lohnsteuer 07/2001 nicht bei Fälligkeit am 10.08.2001 entrichtet worden sei, sei es wie folgt gekommen:
Zu dem Zeitpunkt, als die Gehälter für Juli 2001 ausgezahlt worden seien, sei die GmbH zahlungsfähig gewesen, so dass kein Anlass bestanden habe, die Gehälter zu kürzen. Zwar habe am 31.07.2001 eine buchmäßige Überschuldung von fast 8 Mio EUR vorgelegen, welche jedoch nicht zur Zahlungsunfähigkeit geführt habe, da der Hauptgesellschafter Q. die Finanzierung der Gesellschaft während der Entwicklung der Software „…” durch Darlehen mit Rangrücktritt gesichert habe. Die drohende Zahlungsunfähigkeit sei erst am 03.08.2001 eingetreten, nachdem Herr Q. bekannt gegeben habe, dass er die Finanzierung der GmbH nicht länger abdecken könne. Dies sei völlig überraschend gekommen, da Herr Q. noch eine Woche zuvor sein Interesse an der Fortführung der GmbH bekräftigt und einen Teilbetrag von … DM auf das am 29.06.2001 vereinbarte Darlehen über … DM (Bl. 71-75 der Akte) eingezahlt habe.
Zunächst habe man noch versucht, andere Geldquellen zu finden. Da die Bemühungen jedoch erfolglos geblieben seien und absehbar gewesen sei, dass die GmbH die Gehälter für August 2001 nicht mehr würde zahlen können, sei er – der Kläger – am Freitag, dem 10.08.2001, zusammen mit Herrn H. zum Amtsgericht C. gegangen, um dort einen Insolvenzantrag zu stellen.
Nachdem sie den Insolvenzantrag ausgefüllt und unterschrieben hätten, hätten sie darum gebeten, mit einem Richter sprechen zu können. Diese Bitte sei zunächst als unüblich abgetan worden, jedoch hätten sie dann einen Termin bei der Richterin C1. bekommen. Nach ungefähr einer halben Stunde Wartezeit hätten sie für ungefähr 10 bis 15 Minuten mit der Richterin sprechen können. Der Richterin sei zunächst die Sachlage dargelegt worden und dann sei sie explizit danach gefragt worden, was für Zahlungen der Kläger und Herr H. für die GmbH noch vornehmen dürften. Hieraufhin habe die Richterin gesagt, dass zunächst sämtliche Zahlungen eingestellt werden sollten. Darüber hinaus sei mit der Richterin darüber gesprochen worden, ob die GmbH einen Insolvenzverwalter zur Seite gestellt bekommen könne. Dieser Punkt sei ebenfalls besonders wichtig gewesen, da der Kläger und Herr H. an der Rettung des Unternehmens interessiert gewesen seien. Die Richterin habe darauf hingewiesen, dass sie mit der auf der anderen Straßenseite gelegenen Kanzlei K. und Partner, insbesondere mit Herrn Rechtsanwalt I., bisher gute Erfahrungen gemacht habe.
Nach dem Gespräch mit der Richterin seien der Kläger und Herr H. daher sofort zu der besagten Kanzlei gegangen und hätten um einen Termin bei Herrn I. gebeten.
Nach einiger Wartezeit hätten sie mit Herrn I. sprechen können, diesem die Situation geschildert und dabei auch wiederholt, was die Richterin gesagt habe. Herr I. habe e...