Entscheidungsstichwort (Thema)
Werterhöhung von GmbH-Anteilen durch Verzicht auf einen erbvertraglichen Anspruch. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 19/24)
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Erhöhung des Wertes von Geschäftsanteilen an einer GmbH zu Gunsten eines GmbH-Gesellschafters durch die Leistung eines anderen gilt grundsätzlich als freigebige Zuwendung.
2. Eine solche freigebige Zuwendung ist i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (erst) ausgeführt, wenn die entsprechende Abtretung in notarieller Form wirksam erfolgt ist.
3. Der Tatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG umfasst ein subjektives Merkmal i.S. eines Bewusstseins der Unentgeltlichkeit der Leistung, was sowohl nach dem Wortlaut der Norm als auch aus gesetzessystematischen Gründen sowie nach dem Sinn und Zweck der Norm herzuleiten ist.
4. Der Schenkungsteuer als Verkehrsteuer unterliegt die durch freigebige Zuwendung in Form einer Vermögensverschiebung entstehende Bereicherung des Bedachten durch den Zuwendenden.
5. Der notwendige Wille zur Unentgeltlichkeit liegt vor, wenn der Zuwendende sich der Unentgeltlichkeit der Zuwendung und somit darüber bewusst ist, dass er seine Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung erbringt.
6. Ein zerrüttetes Familienverhältnis (hier: zwischen Geschwistern) kann Indiz dafür sein, dass ein Anteilserwerb nicht teil-unentgeltlich erfolgen, sondern ein drittüblicher Preis erzielt und nicht aus familiärer Verbundenheit auf eine Kaufpreisfindung wie unter fremden Dritten verzichtet werden sollte.
Normenkette
GmbHG § 15 Abs. 3; ErbStG § 7 Abs. 8 S. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 96 Abs. 1; BGB § 398
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Übertragung der Gesellschaftsanteile durch E. auf eine GmbH, deren einziger Gesellschafter der Kläger ist, den Schenkungsteuertatbestand des § 7 Abs. 8 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) verwirklicht und, sollte dies der Fall sein, ob Steuerbefreiungen nach §§ 13a, 13b ErbStG Anwendung finden.
Der Vater des Klägers, Herr U., gründete die Firma Y.-T. im Jahr 1980, seit 1992 firmiert das Unternehmen als Y.-T. GmbH […]. Er war zunächst alleiniger Gesellschafter der Y.-T. GmbH. Diese entwickelt und produziert […] mit ca. 200 Mitarbeitern am Standort T..
Seine Söhne, nämlich den Kläger und dessen Bruder, den Zeugen E., bezog Herr U. frühzeitig in die Unternehmung ein. Die Söhne absolvierten ihre Ausbildungen mit Bezug zu dem Gegenstand des Unternehmens. Der Kläger ist […], der Zeuge E. ist […]. Beide Brüder sind zum 00.00.2005 zu Geschäftsführern der Y.-T. GmbH bestellt worden.
Der Vater übertrug seinen Söhnen von seinem Geschäftsanteil an der Y.-T. GmbH von 100.000,– EUR schenkweise jeweils einen Geschäftsanteil von 30.000,– EUR in der Absicht, dass diese das Unternehmen partnerschaftlich fortsetzen.
Der Gesellschaftsvertrag der Y.-T. GmbH vom 00.00.2007 (UR Nr. N01 des Notars I.) sah nach § 15 Nr. 5 vor, dass bei Einziehung eines Gesellschaftsanteils oder Ausscheiden eines Gesellschafters eine Entgeltzahlung anfalle. Die Höhe der Entgeltzahlung bemesse sich durch die zum Zeitpunkt des Ausscheidens geltenden steuerrechtlichen Vorschriften des Bewertungsgesetzes zur Ermittlung des gemeinen Wertes von Geschäftsanteilen mangels Ableitbarkeit aus Verkäufen (Stuttgarter Verfahren).
Hinsichtlich der beim Vater verbliebenen 40% der Geschäftsanteile vereinbarten der Vater und seine Söhne mit notariellem Erbvertrag ebenfalls vom 00.00.2007 (Ur Nr. N02 des Notars I.), dass die Söhne im Wege des Vermächtnisses jeweils die hälftige Beteiligung an seinen Geschäftsanteilen der Y.-T. GmbH erhalten sollten.
Die Y.-T. GmbH erzielte im Jahr 2010 einen Gewinn im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG i. H. v. 922.260,18 EUR. In 2011 betrug der Gewinn 1.689.029,54, in 2012 1.801.895,– EUR.
Mit notarieller Erklärung vom 15.01.2013 (UR Nr. N03 des Notars R. in F.) annullierte der Vater den Erbvertrag mit dem Zeugen E.. Er sei durch Erklärung vom 00.00.2012 vom Erbvertrag mit seinem Sohn zurückgetreten. Der Zeuge E. erklärte sich in der Urkunde einverstanden, dass die ursprünglich ihm zugedachten Anteile an der Y.-T. GmbH auf den Kläger übertragen werden. Für den Verzicht auf den Erbvertrag erhielt der Zeuge E. als Ausgleich einen Betrag von 600.000,– EUR (Schenkungsvertrag vom 15.01.2013 UR Nr. N04 des Notars R.).
Ebenfalls am 15.01.2013 schloss der Zeuge E. in eigenem Namen sowie als gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Y.-T. GmbH mit seiner Mutter Monika Fiedler, als Bevollmächtigte für ihren Ehemann U. und den Kläger, dieser als gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Y.-T. GmbH, einen notariellen Vertrag mit folgendem Inhalt:
„II. Verkauf und Abtretung von Geschäftsanteilen
1. Der Erschiene zu 1) (E.) verkauft hiermit seine in der Präambel genannten Beteiligungen an
– Firma Y. T. im Nennwert von 30.000,– EUR”
(…)
„an die Firma Y. T. GmbH oder einen von ihr zu benennenden Dritten.
2. Der Verkauf erfolgt mit Wirkung zum 01.11.2017.
Bis zu diesem Zeitpunk...