Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung von Besteuerungsgrundlagen
Leitsatz (redaktionell)
Bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ist zu berücksichtigen, dass jede Schätzung gewisse Unsicherheiten enthält. Das Finanzamt kann sich zudem an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren, wenn die Schätzung erforderlich wird, weil der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht genügt. Die Schätzung erweist sich erst als rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen verläßt.
Normenkette
AO 1977 § 162 Abs. 1-2
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob die Klage wegen Umsatzsteuer 1989 bis 1993 zulässig ist und ob der Beklagte die Umsatzsteuer 1994 und 1995 sowie die Gewerbesteuermeßbeträge 1994 und 1995 unter zutreffender Schätzung der Besteuerungsgrundlagen festgesetzt hat.
Der Kläger erzielte vom 01.05.1988 bis Ende 1996 im Rahmen eines Reisegewerbes als Markthändler (Verkauf von Textilien) Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Ausweislich der eingereichten Steuererkläungen und Gewinnermittlungen gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) hatte er in den Jahren 1988 bis 1992 folgende Einnahmen und Einkünfte:
|
Betriebseinnahmen |
Einkünfte |
1988 |
34.612,01 DM |
./. 29.881,12 DM |
1989 |
108.865,64 DM |
22.941,99 DM |
1990 |
115.883,82 DM |
18.181,55 DM |
1991 |
132.897,79 DM |
42.723,84 DM |
1992 |
161.035,79 DM |
39.789,09 DM |
Wegen der Einzelheiten wird auf die Erklärungen, Gewinnermittlungen und beigefügten „Kontennachweise” Bezug genommen.
Nach vorliegenden, zum Teil vom Kläger während des Einspruchsverfahrens vorgelegten Bankunterlagen nahm der Kläger folgende Einzahlungen auf sein Konto … bei der Griechischen Handelsbank vor:
01.07.1991 |
100.000,00 DM |
29.10.1991 |
129.476,00 DM |
30.11.1992 |
103.307,50 DM |
28.06.1993 |
144.000,00 DM, |
Außerdem waren auf weiteren Konten bei der Griechischen Handelsbank Guthaben von – am 29.12.1989 – 30.201,16 DM (Konto Nr. …) und – am 29.12.1990 – 60.000,00 DM (Konto Nr. …) vorhanden.
Der Beklagte veranlagte den Kläger zunächst antragsgemäß zur Umsatzsteuer 1989 bis 1992 und setzte am 16.01.1996 die Umsatzsteuer 1993 im Schätzungswege auf 7.835 DM fest.
Im Rahmen eines vom Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (STEUFA) am 13.12.1995 gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahrens wegen Verdachts der Steuerhinterziehung stellten die Prüfer das Bankguthaben und die Einzahlungen auf dem Konto … sowie Zahlungen des Klägers i.H.v. in 1991 25.230,00 DM, in 1992 136.510,00 DM und in 1993 73.715,00 DM an Herrn S. … in … (laut Einlassung des Herrn S.: Darlehensrückzahlungen und Zinsen für einen Hausbau in Griechenland) fest. Darüberhinaus habe der Kläger am 30.12.1993 eine Eigentumswohnung in … /Griechenland für 23 Millionen Drachmen (laut STEUFA umgerechnet 184.000 DM) und eine Heizungsanlage für dieses Objekt erworben.
Weiter ermittelten die Prüfer, daß die Kassenberichte für die Jahre 1989 bis 1993 nicht täglich geführt und für 1989 und 1990 keine freien Privateinnahmen gebucht waren. Wegen des hohen Kassenbestandes per 31.12.1990 sei eine Barentnahme in Höhe von 60.000,00 DM gebucht worden. Auch die nicht zweckgebundenen Privateinnahmen für 1991 bis 1994 seien erst nachträglich durch die steuerliche Beratung eingebucht worden.
Aus den vorgefundenen handschriftlichen Kassenuraufzeichnungen für die Monate Januar bis April 1995 ergebe sich außerdem, daß die tatsächlichen Tageseinnahmen wie folgt von den im Kassenbericht aufgezeichneten abwichen:
Zeitraum |
Kassenbericht |
Uraufzeichnungen |
1/1995 |
14.440,00 DM |
22.260,00 DM |
2/1995 |
18.710,00 DM |
26.730,00 DM |
3/1995 |
12.850,00 DM |
28.450,00 DM |
4/1995 |
18.110,00 DM |
32.400,00 DM |
Aufgrund dieser Feststellungen vertraten die Prüfer die Ansicht, die Besteuerungsgrundlagen seien aufgrund unzutreffender Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Mängeln in der Kassenführung durch Schätzung nach § 162 AO zu ermitteln. Dabei sei davon auszugehen, daß die Guthaben bei der griechischen Handelsbank und die Mittel für den Kauf des Hauses nicht aus den bisher erklärten Einkünften stammen könnten.
Ohne Durchführung einer (vollständigen) Geldverkehrs- bzw. Vermögenszuwachsrechnung ermittelten die Prüfer unter Berücksichtigung ungeklärter Vermögenszuwächse von 675.200 DM geschätzte Bruttomehrumsätze von 131.000,00 DM für 1989, 150.000,00 DM für 1990, 195.000,00 DM für 1991, 300.000,00 DM für 1992, 300.000,00 DM für 1993, 395.000,00 DM für 1994 und 163.000,00 DM für den Zeitraum 1-6/1995. Einen zusätzlichen Vorsteuerabzug nahmen sie nicht vor, da für die im Zusammenhang mit den Mehrumsätzen angefallenen zusätzlichen Wareneinkäufe keine Wareneinkaufsbelege vorlagen. Wegen der Einzelheiten wird auf den strafrechtlichen Schlußbericht vom 27.06.1996 und den Bericht der STEUFA vom 20.06.1996 über die steuerlichen Feststellungen verwiesen.
Der Beklagte folgte den Feststellungen der Prüfer und erließ zunächst am 13.10.1997 geänderte Umsatzsteuerbescheide für 1989 bis 1993, die jeweils am 13.10.1997 durch Niederlegung in der Wohnung des Klägers zugestellt wurden. Am 12.03.1...