Entscheidungsstichwort (Thema)
Besorgnis der Befangenheit – einheitlicher Gewerbebetrieb eines Taxi- und Mietwagenunternehmens – Schätzung der Einnahmen wegen fehlender Schichtzettel
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Ablehnungsgesuch liegt nicht bereits darin, dass ein Prozessbeteiligter lediglich Bedenken gegen die Unabhängigkeit und Unbefangenheit eines Richters geäußert hat, denn ein Ablehnungsgesuch muss als Prozesshandlung eindeutig erklärt werden.
2. Aus dem Objektsteuerprinzip folgt, dass jeder Betrieb für sich zur Gewerbesteuer heranzuziehen ist, wenn sich mehrere Betriebe in der Hand desselben Unternehmers befinden.
3. Ob die gewerblichen Betätigungen eines Steuerpflichtigen als selbständige Gewerbebetriebe oder als ein einheitlicher Gewerbebetrieb anzusehen sind, muss im Einzelfall auf Grund der Würdigung der Gesamtumstände entschieden werden.
4. Für einen einheitlichen Gewerbebetrieb sprechen die Gleichartigkeit der Betätigung, die Möglichkeit, dass sich die verschiedenen Tätigkeiten ergänzen, sowie die räumliche Nähe der Betriebe. Dagegen sprechen eine gesonderte Verwaltung, eine selbständige Organisation, ein eigenes Rechnungswesen, eigenes Personal und eigenes Anlagevermögen für selbständige Gewerbebetriebe.
5. Wenn bei einem Taxiunternehmer die Betriebseinnahmen weder einzeln aufgezeichnet noch die Bareinnahmen aus den Schichten gesondert aufgezeichnet und dazu keine entsprechenden Schichtzettel vorgelegt werden, kann das Finanzamt grundsätzlich eine Schätzung der Betriebseinnahmen und -ausgaben vornehmen.
6. Fehlende Schichtzettel als Ursprungsaufzeichnungen können bei einem Taxiunternehmer weder durch Zeugenaussagen noch durch eine Auslesung der Taxameterdaten ersetzt werden.
7. Die Zuziehung eines Sachverständigen für eine Nachkalkulation steht im Ermessen des Gerichts, wobei die Plausibilität von Hinzuschätzungen vom Gericht auf dessen eigene Sachkunde gestützt werden kann.
Normenkette
FGO § 96; ZPO § 43; AO § 162; GewStG § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1; FGO § 51
Tatbestand
Die Kläger sind verheiratet und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Inhaber eines Taxiunternehmens in D. Er ermittelte den Gewinn des Taxiunternehmens in den Streitjahren 2009-2014 durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 i.V.m. § 5 EStG (Steuernummer in den Streitjahren: 0000/0000/0001). Zu Beginn des Streitzeitraums hatte der Kläger … Taxikonzession, zum xx.xx.2009 und zum xx.xx.2011 erhielt er jeweils eine weitere Konzession.
Zudem betreibt der Kläger unter der gleichen Anschrift seit dem xx.xx.2009 ein Mietwagenunternehmen, dessen Gewinn er in den Streitjahren durch Einnahmenüberschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelte (Steuernummer in den Streitjahren: 0000/0000/0002).
Für die Streitjahre 2009 bis 2014 erklärte er in den abgegebenen Einkommensteuer- und Gewerbesteuerklärungen (für das Streitjahr 2009 eingereicht im … 2011) Einkünfte aus Gewerbebetrieb/Gewerbeerträge in folgender Höhe:
Jahr |
Taxibetrieb |
Mietwagenbetrieb |
Schuldzinsen |
Mietzinsen |
2009 |
38.861 € |
-2.499 € |
468 € |
0 |
2010 |
16.090 € |
7.013 € |
0 |
0 |
2011 |
24.966 € |
9.036 € |
621 € |
0 |
2012 |
23.448 € |
2.596 € |
7.797,00 € |
6.275,00 € |
2013 |
27.834 € |
4.234 € |
1.499,00 € |
6.412,00 € |
2014 |
52.502 € |
-15.561 € |
4.505,00 € |
1.068,00 € |
Der Beklagte folgte den Erklärungen in den erlassenen Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheiden unter entsprechender gewerbesteuerlicher Hinzurechnung der Schuld- und Mietzinsen für die Streitjahre zunächst. Lediglich die Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Taxiunternehmen im Jahr 2012 erhöhte der Beklagte gem. § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG um 265,93 € von 23.448 € auf 23.713 €.
In den abgegebenen Umsatzsteuererklärungen erklärte der Kläger folgende Werte:
Jahr |
Umsätze 19% |
Umsätze 7% |
USt |
VoSt |
Verbl. USt/Überschuss |
2009 |
17.750 € |
287.663 € |
23.509,08 € |
24.422,81 € |
… € |
2010 |
31.154 € |
350.594 € |
30.460,84 € |
33.299,82 € |
… € |
2011 |
34.731 € |
396.083 € |
34.324,70 € |
38.044,00 € |
… € |
2012 |
79.688 € |
417.789 € |
44.385,95 € |
45.545,39 € |
… € |
2013 |
60.796 € |
416.623 € |
40.714,85 € |
38.175,84 € |
… € |
2014 |
95.027 € |
420.630 € |
47.499,23 € |
47.517,94 € |
… € |
Den für das Jahr 2009 erklärten Verlust aus dem Betrieb „Mietwagengestellung” in Höhe von 2.499 €, stellte der Beklagte zum 31.12.2009 durch Bescheid vom 09.06.2011 gesondert fest. Im Veranlagungszeitraum 2010 erfolgte eine Verrechnung dieses Verlustes mit erklärten Gewinnen, so dass der Beklagte den vortragsfähigen Verlust auf den 31.12.2010 mit Bescheid vom 30.12.2011 in Höhe von 0 € gesondert feststellte. Im Veranlagungszeitraum 2014 erklärte der Kläger einen Verlust aus dem Betrieb „Mietwagengestellung” in Höhe von 15.561 €, den der Beklagte zum 31.12.2014 durch Bescheid vom 31.05.2016 gesondert feststellte.
Am xx.01.2015 ordnete der Beklagte unter der Steuernummer 0000/0000/0001 (Taxiunternehmen) eine steuerliche Außenprüfung wegen Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 2009 bis 2011 an, die er am xx.03.2015 auf die Jahre 2012 und 2013 sowie die Umsatzsteuervoranmeldungen 01-12/2014 erweiterte.
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