Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungslast
Leitsatz (redaktionell)
Eine gesetzliche Regelung über die Verteilung der Feststellungslast existiert nicht. Der Steuerpflichtige trägt die Last für alle Tatsachen, die den Steueranspruch einschränken, nicht nur für die Steuerermäßigungen.
Normenkette
AO § 175
Nachgehend
Tatbestand
I.
Zu entscheiden ist, ob das Finanzamt (FA) zu Recht eine Änderung der Einkommensteuer (ESt)-Veranlagung für das Kalenderjahr 1975 abgelehnt hat.
Der Kläger (Kl.) war an der Firma A-Bau GmbH & Co. KG (KG) beteiligt, die das Bauvorhaben „ ” in B begonnen hatte. Durch Feststellungsbescheid des für die KG zuständigen FA für Körperschaften IV in B vom 17.07.1984/30.04.1986/30.03.1988 wurde für den Kl. ein Veräußerungsgewinn i. H. v. 40.974,53 DM festgestellt. Nach mehrjährigen Rechtsstreitigkeiten, die ein anderer Kommanditist der KG geführt hatte, wurde auch der Feststellungsbescheid des Kl. für das Kalenderjahr 1975 geändert. Durch Feststellungsbescheid vom 23.12.2002 wurden die Einkünfte des Kl. aus seiner Beteiligung an der KG für das Kalenderjahr 1975 auf 0 DM festgestellt.
Da weder beim Kl. noch beim FA Unterlagen zur ESt 1975 noch vorhanden waren, beantragte der Kl. beim FA, für das Kalenderjahr 1975 einen neuen ESt-Bescheid zu erlassen, in dem der zuvor festgestellte Veräußerungsgewinn i. H. v. 40.974,00 DM von einem geschätzten zu versteuernden Einkommen des Jahres 1975 von 150.000,00 DM abgezogen werden sollte. Diesen Antrag lehnte das FA durch Bescheid vom 15.04.2003 ab. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen für die Steuerakten liege die Beweislast für die bisherigen Besteuerungsgrundlagen des Jahres 1975 beim Kl. Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen in Anlehnung an die angrenzenden Veranlagungszeiträume sei nicht möglich.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kl. am 16.04.2003 Einspruch. Hiermit machte er geltend, das FA sei zur Änderung der ESt-Veranlagung für das Kalenderjahr 1975 gem. § 175 Abgabenordnung (AO) verpflichtet. Als Folge des geänderten Grundlagenbescheides des FA für Körperschaften IV in B ergäben sich für ihn Erstattungen. Aus dem Umstand, dass das FA Akten früherer Jahre vernichtet habe, dürfe sich für ihn kein Nachteil ergeben. Aus seiner Beteiligung an der Firma N GmbH & Co. KG seien in den Jahren 1971 bis 1973 Gewinnanteile in einer Größenordnung von 180.000 bis 240.000 DM auf ihn entfallen. Dazu kämen noch weitere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen. In den Folgejahren habe sich das Einkommen etwa in der gleichen Größenordnung bewegt. Unter Hinweis auf § 163 AO müsse deshalb bei der Änderung der ESt-Veranlagung für das Kalenderjahr 1975 ein bisheriges zu versteuerndes Einkommen von 150.000 DM geschätzt werden.
Durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 24.06.2004 wies das FA den Einspruch des Kl. als unbegründet zurück. In der EE ist im Wesentlichen ausgeführt, die ESt-Veranlagung des Kalenderjahres 1975 könne nicht geändert werden. Der Kl. trage die objektive Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Änderung der ESt-Veranlagung. Die Unerweislichkeit entscheidungserheblicher steuerbefreiender oder steuermindernder Tatsachen gehe zu Lasten des Steuerpflichten. Der Kl. trage die objektive Beweislast dafür, dass der bisher festgestellte Veräußerungsgewinn i. H. v. 40.974,00 DM auch tatsächlich bei der ESt-Veranlagung des Jahres 1975 berücksichtigt worden sei. Diesen Nachweis habe der Kl. nicht erbracht. Die Aufbewahrungspflicht für ESt-Akten belaufe sich auf zehn Jahre. Das FA habe daher die ESt-Akten für das Kalenderjahr 1975 nicht mehr aufbewahren müssen. Es sei Aufgabe des Kl. als Gesellschafter einer Personengesellschaft gewesen, seinen ESt-Bescheid für das Kalenderjahr 1975 bis zur Bestandskraft des Grundlagenbescheides aufzubewahren. Das Wohnsitz-FA der Beteiligten erhalte von laufenden Rechtsbehelfs- bzw. Klageverfahren der Personengesellschaft regelmäßig keine Kenntnis.
Gegen diese EE hat der Kl. Klage erhoben. Hierzu macht er im Wesentlichen unter Wiederholung seines Vorbringens im Einspruchsverfahren geltend, aus der Tatsache, dass das FA nach Ablauf einer zehnjährigen Aufbewahrungsdauer die Steuerakten vernichtet habe, dürften für ihn keine steuerlichen Nachteile erwachsen. Insbesondere könne die Aktenvernichtung durch das FA nicht dazu führen, dass ihm die objektive Beweislast für die Besteuerungsgrundlagen auferlegt werde. Er mache keine Steuervergünstigung geltend. Das FA sei vielmehr nach § 175 Abs. 1 AO verpflichtet, die ESt-Veranlagung des Kalenderjahres 1975 zu ändern. Seien weder beim FA noch bei dem Steuerpflichtigen Unterlagen über die ESt-Festsetzung für das Kalenderjahr 1975 vorhanden, müsse von geschätzten Besteuerungsgrundlagen ausgegangen werden. Bei Annahme eines zu versteuernden Einkommens von 150.000 DM ergebe sich durch den Wegfall des Veräußerungsgewinns eine Reduzierung der ESt um 7.957,00 DM.
Die Kl. beantragen,
das FA zu verpflichten, die ESt...