Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine ausschließliche oder ganz überwiegende betriebliche Veranlassung der Übernahme von Studien- und Unterkunftskosten gegenüber eigenen Kindern sowie einem fremden Dritten bei krassem Missverhältnis zwischen Kostenaufwand und betrieblichem Nutzen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine betriebliche Veranlassung nach § 4 Abs. 4 EStG liegt vor, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Betrieb besteht und die Aufwendungen dem Betrieb subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des EStG stehen.
2. Der Steuerpflichtige muss die berufliche Veranlassung der Aufwendungen im Einzelnen umfassend darlegen und nachweisen, wobei das Fehlen der Üblichkeit, der Erforderlichkeit und der Zweckmäßigkeit einer Aufwendung als Indiz dafür gesehen werden kann, dass die Aufwendungen aus außerbetrieblichen Erwägungen vorgenommen wurden.
3. Als unüblich und außerbetrieblich veranlasst kann es anzusehen sein, wenn ein Steuerpflichtiger, der eine chirurgische Praxis betreibt, für seine beiden Kinder und einen Freund seines Sohnes gegen die Verpflichtung, nach bestandenem Examen und zu erlangender Approbation mindestens fünf Jahre als Praxispartner des Steuerpflichtigen zu arbeiten, die Zusage erteilt, die Kosten für den Zugang zu einer Universität in der EU einschließlich damit verbundener Beratungs- und Anwaltskosten sowie die Studiengebühren und Unterkunftskosten zu übernehmen, wobei alle drei geförderten Personen das Abitur abgelegt, aber in Deutschland wegen des geltenden numerus clausus keinen Studienplatz in Medizin erhalten haben, auch wenn die Verträge über die Stipendien tatsächlich durchgeführt worden sind und sie Regelungen zu den Rückzahlungsmodalitäten enthalten.
4. Als Betriebsausgaben geltend gemachte Aufwendungen müssen nachweisbar vollständig oder jedenfalls ganz überwiegend betrieblich veranlasst sein. Das bedeutet, dass entweder gar keine oder nur eine zu vernachlässigende private (Mit-)Veranlassung für den Kostenaufwand besteht. Dies gilt auch, wenn eine Ausbildung von Kindern zugleich eine spätere Unternehmensnachfolge vorbereiten soll, da auch ein solcher Vorgang prinzipiell der Privatsphäre zuzuordnen ist.
5. Für eine nicht ausschließliche oder nicht ganz überwiegende betriebliche Veranlassung spricht es auch, wenn Eltern zivilrechtlich dazu verpflichtet sind, die Kosten des Studiums für ihre Kinder zu tragen, denn zu den Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf gehören bei entsprechender Qualifikation und Befähigung des Kindes auch solche eines Studiums.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1 S. 1 Hs. 1; EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1; BGB §§ 1601, 1610 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die von der Klägerin übernommenen Studienkosten ihrer beiden Kinder sowie des Herrn B als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
Die Kläger sind Eheleute und haben zwei Kinder, eine Tochter (K, geb. 00.12.1991) und einen Sohn (T, geb. 00.10.1995), für die in den Streitjahren ein Anspruch auf Zahlung von Kindergeld bestand. Die Klägerin erzielt selbständige Einkünfte aus dem Betrieb einer chirurgischen Praxis. Die Kläger werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Das Kind K war nach dem Abitur in den Jahren 2012 und 2013 zunächst an einer Universität in G als Studentin eingeschrieben. Ab 2014 nahm sie in N (Spanien) ein Studium der Zahnmedizin auf. Das Kind T absolvierte in 2014 das Abitur. Im Anschluss nahm er im gleichen Jahr ein Medizinstudium in M (Slowakei) auf, das er später in O (Polen) fortsetzte. Beiden Kindern war die Aufnahme eines Medizinstudiums an einer deutschen Universität wegen des für den Bereich Medizin geltenden Numerus clausus nicht möglich. Das Kind T bewarb sich zudem vergeblich um einen Studienplatz für Medizin in Österreich.
Herr B war seit der 6. Schulklasse mit dem Sohn der Kläger befreundet und absolvierte gleichzeitig mit diesem in 2014 das Abitur. Wegen des geltenden Numerus clausus war für ihn ebenfalls die Aufnahme eines Medizinstudiums in Deutschland unmittelbar nach dem Abitur nicht möglich. Er bewarb sich zudem wie das Kind T vergeblich um einen Studienplatz für Medizin in Österreich. Vor diesem Hintergrund begann er nach dem Abitur ab dem 15.09.2014 eine Ausbildung zum medizinischen Fachangestellten (MFA) in der Praxis der Klägerin, die er am 16.09.2016 erfolgreich abschloss. Danach begann er zum Wintersemester 2016/2017 ein Medizinstudium in P.
Die Klägerin schloss sowohl mit ihren beiden Kindern als auch mit Herrn B im Sommer 2014 einen mündlichen Vertrag über die Finanzierung von Studienkosten. Die inhaltsgleichen mündlichen Vereinbarungen wurden später jeweils schriftlich niedergelegt; sie enden mit „… So mündlich vereinbart im Sommer 2014 …”.Die Präambel des verschriftlichten mündlichen Vertrages betrifft zunächst Ausführungen zu den Vorteilen der Implementierung sog. medizinischer Versorgungszentren (MVZ). Im Weiteren wird ausgeführt, dass wegen der Entwicklungen im Bereich der Gesundheitsversorgung...