rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtswidrigkeit eines an eine Volksbank gerichteten Sammelauskunftsersuchens über Wertpapierveräußerungsgeschäfte mit Papieren am sog. "Neuen Markt" zwischen dem 1.1.1999 und dem 31.12.2000

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Weder aus dem Erklärungsverhalten der Gesamtheit der Steuerpflichtigen im Einzugsbereich eines betroffenen Kreditinstituts noch aus Kenntnissen der Steuerfahndung über Neuemissionen und Kursentwicklung am Aktienmarkt ergeben sich hinreichende Anlässe für Ermittlungen der Steuerfahndung.

2) Aus dem Umstand, dass ein Steuerpflichtiger eine Bankverbindung zu einem bestimmten Kreditinstitut unterhält und dort gewisse Einnahmenüberschüsse erzielt haben könnte, ist wegen der nahe liegenden Möglichkeit, dass auch Beziehungen zu ganz anderen Kreditinstituten außerdem noch bestehen, bei denen verrechnungsfähige Verluste entstanden sein können, noch nicht auf einen steuerpflichtigen Gewinn zu schließen.

3) Die Vermutung, dass 1999 insbesondere im Bereich des sog. Neuen Marktes Aktienan- und -verkäufe zugenommen haben und hieraus folge, dass entsprechend viele private Veräußerungsgewinne nicht ordnungsgemäß erklärt worden wären, trägt nicht als hinreichender Anlass für ein Sammelauskunftsersuchen.

 

Normenkette

EStG § 23 Abs. 1 Nr. 2; AO 1977 § 208 Abs. 1, 1 Sätze 1, 1 Nr. 3, § 93; EStG § 23 Abs. 1

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Sammelauskunftsersuchens, welches der Aufdeckung und Ermittlung noch unbekannter Einkünfte aus Spekulationsgeschäften (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b EStG in der Fassung vom 16. April 1997) bzw. aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl. I S. 402) dienen soll.

Mit Schreiben vom 24. Juni 2002 richtete der Beklagte im Rahmen eines Pilotverfahrens ein Auskunftsersuchen im Besteuerungsverfahren gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO iVm § 93 AO an die Klägerin, eine als eingetragene Genossenschaft organisierte Volksbank. Hierin heißt es u.a.

„… Wie aus allgemein zugänglichen Quellen bekannt ist, haben in den Jahren ab 1997 eine Vielzahl von Bankkunden verstärkt Aktien und Fondanteile von Kapitalgesellschaften insbesondere am sogenannten „Neuen Markt” erworben und zeitnah wieder veräußert. Nach hier aus einem Einzelfall vorliegenden Erkenntnissen, der auch Gegenstand des BFH Beschlusses vom 21. 03.2002 (Az. VII B 152/01) war, haben in 1998 über 50% der betreffenden Anleger ihre Aktien innerhalb eines Monats wieder veräußert. Unter Zugrundelegung aller Verkäufe sind 1998 mindestens 80% und 1999 mindestens 67% der Verkäufe innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 EStG erfolgt. Die dort bisher gemachten Erfahrungen haben gezeigt, dass diese Kunden, die innerhalb der Spekulationsfrist von sechs Monaten (bis 31.12.1998) bzw. von einem Jahr (ab Veranlagungszeitraum 1999) erzielten Veräußerungsgewinne nicht versteuert haben. Entgegen der allgemein bekannten Kursentwicklung und dem einsetzenden Kaufboom für derartige Papiere am sogenannten „Neuen Markt” war im Einzugsbereich Ihres Institutes keine signifikante Veränderung im Erklärungsverhalten der Steuerpflichtigen festzustellen, obwohl durch die extreme Kursentwicklung am Aktienmarkt zahlreiche zusätzliche steuerpflichtige Tatbestände im Sinne des § 23 EStG verwirklicht sein mussten. So erklärten im Bereich der zuständigen Finanzämter N. und S. 1996 insgesamt … Steuerpflichtige, 1997 insgesamt … Steuerpflichtige, 1998 insgesamt … Steuerpflichtige, 1999 insgesamt … Steuerpflichtige und 2000 insgesamt … Steuerpflichtige, die gleichzeitig auch Kunden ihres Hauses sind, Einkünfte aus Spekulationsgeschäften. Bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass bis einschließlich dem Jahr 1999 hiermit sämtliche Spekulationstatbestände, also von Grundstücksgeschäften bis zu Einkünften aus sonstigen privaten Veräußerungsgeschäften abgedeckt werden. Angesichts einer Einwohnerzahl von rd. … Personen im Einzugsbereich Ihres Institutes und einem Mitgliederbestand von rd. … Mitgliedern (Stand 2000), kann die Zahl erklärter Einkünfte aus Spekulationsgeschäften daher nur als verschwindend gering bezeichnet werden. In den Lageberichten wird die Entwicklung des Wertpapiergeschäftes bei der Volksbank N.-S. von Ihnen wie folgt bewertet…

In den Besteuerungsverfahren dieser weiteren bisher noch unbekannten Kunden sind Auskünfte Ihres Bankinstitutes daher erforderlich. Zur Aufdeckung und Ermittlung dieser unbekannten Steuerfälle bitte ich um Erteilung von Auskünften aus sämtlichen Wertpapierabrechnungen und Orderaufträgen über Veräußerungsgeschäfte für in- und ausländische Aktien und Fondanteile von Kunden für die Zeit vom 01.05.1998 bis zum 31.12.2000, soweit diese den sogenannten „Neuen Markt” (hierbei Neuemissionen nach dem 30.10.1997) betreffen und zwar hierbei sämtliche Veräußerungsgeschäfte die unter Einbeziehung der hierzu gehörigen Käufe der Wertpapiere zu einem Spekulationsgewinn von mindesten...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge