Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Gewinnerzielungsabsicht eines Rechtsanwalts und Notars bei Vermarktung selbst verfasster Mundart-Literatur
Leitsatz (amtlich)
Vermarktet ein hauptberuflich als Rechtsanwalt und Notar tätiger Steuerpflichtiger persönlich verfasste schöngeistige Mundart-Literatur im Selbstverlag, so ist diese abseits des Hauptberufs liegende Beschäftigung nur dann als Liebhaberei zu qualifizieren, wenn diese Tätigkeit nach den - auf Dauer und auf lange Sicht betrachteten - Gesamtumständen des Einzelfalles und unter Zugrundlegung objektiver Verhältnisse keinen Gewinn oder Überschuss abzuwerfen vermag.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG 1999 § 24; EStG § 34; AO § 164 Abs. 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 175 Abs. 1 S. 1 Ziff. 2; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
Unter Aufhebung des Einkommensteuer-Bescheides 1955 und der Einspruchsentscheidung vom 30.9.1957 wird die Einkommenssteuer 1955 auf 2 317 DM festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens fallen der Finanzverwaltung zur Last.
Der Streitwert beträgt 1 216 DM.
Gründe
I.
Der Berufer ist Rechtsanwalt und Notar. Er beschäftigt sich neben seiner beruflichen Tätigkeit mit der Pflege, Erhaltung und Ausbreitung der niederdeutschen Sprache. In dieser Sprache hat er im streitigen Jahre ein Buch verfasst und im Selbstverlag herausgegeben unter dem Titel: "Laot us singen ". Hierbei entstand ein Verlust in Höhe von 4071,40 DM. Steitig ist, ob dieser Verlust mit seinen positvien Einkünften ausgeglichen werden kann. Das Finanzamt (FA) hat in der schriftstellerischen Tätigkeit eine Liebhaberei erblickt und den Verlustausgleich abgelehnt. Auch der Steuerausschuss des FA hat den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Er hat ausgeführt, aus dem Urteil des Reichsfinanzhofes (RVH) vom 17.10.1940 (Reichssteuerblatt (RStBl) 1941 § 61 ergebe sich, dass dann eine Tätigkeit als Liebhaberei anzusehen sei, wenn der Steuerpflichtige (StPfl) über sonstige ausreichende Einkünfte verfüge und nur die sonstigen ausreichende Einkünfte ihn in den Stand setzten, eine Nebenbeschäftigung als Liebhaberei zu betreiben. Diese Voraussetzungen seien bei dem Berufer gegeben. Es könne angenommen werden, dass nur die Einkünfte aus der Rechtsanwalts- und Notariatspraxis sowie aus der Vermietung und Verpachtung es dem Berufer möglich gemacht hätten, sich mit der Erhaltung und Pflege der pattdeutschen Sprache zu beschäftigen. Dieser Umstand sowie die Erwägung, dass die nebenberufliche Tätigkeit abseits von seinem Hauptberuf liege, führe zu der Feststellung, dass die vorgenannte Tätigkeit als Liebhaberei anzusehen sei.
II.
Gegen die Einspruchsentscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und auch begründete Berufung.
Nach der Rechtsprechung des RFH und Bundesfinanzhofs (BFH) (vergl. Urteil v. 6.5.1954 - IV 221/53 U , BStBl 1954 III S 196 und die dort angeführte weitere Rechtsprechung) ist ein Liebhaberbetrieb nur anzunehmen, wenn eine Tätigkeit nach den Gesamtumständen des Einzelfalles auf die Dauer und auf lange Sicht betrachtet unter Zugrundelegung objektiver Verhältnisse keinen Gewinn oder Überschuss abzuwerfen vermag. Im vorliegenden Fall kann aber keine Rede davon sein, dass die Herausgabe des Buches "Laot us singen "im Selbstverlag bei objektiver betriebswirtschaftlicher Berurteilung zur Gewinnerzielung nicht geeignet war. Der Berufer hat vorgetragen, dass bei einer Auflage von 1 500 Exemplaren und einem beabsichtigeten Verkaufspreis von 2,50 DM pro Buch nach seiner Kalkulation lediglich die Selbstkosten gedeckt worden wären und bei einer höheren Auflage sich ein Gewinn hätte ergeben müssen, weil im letzteren Fall die Unkosten im Verhältnis zum Erlös sich bei grösserer Auflage nur unwesentlich erhöhten. Deshalb habe er das Buch in einer Auflage vom 10 000 Exemplaren herausgegeben und im Falle des Totalverkaufs einen Reingewinn von mehr als 18 000DM gehabt. Unter diesen Umständen war also eine Gewinnerzielung objektiv nicht ausgeschlossen. Dass tatsächlich ein Verlust entstand, lag nach Ansicht der Kammer am mangelnden Absatz und nicht daran, dass die Tätigkeit von vornherein objektiv so angelegt war, das nur ein Verlust entstehen konnte. Zwar ist aus den Akten zu ersehen, dass der Berufer bereits im Jahre 1951 ein Buch unter dem Titel"Rirrepärlen "im Selbstverlag herausgegeben hat, woraus ebenfalls ein (vom FA anerkannter) steuerlicher Verlust entstanden war. Indes kann nach Ansicht der Kammer der finanzielle Fehlschlag bei der Herausgabe eines Erstlingswerkes eines Autors nicht zu der Schlussfolgerung berechtigen, dass die Herausgabe eines weiteren Buches wieder ein Verlustgeschäft werden würde. Das FA hat bei seiner Entscheidung dem Umstand zu grosse Bedeutung beigemessen, dass tatsächlich ein Verlust entstanden ist auf einem Gebiet, das abseits von der Haupttätigkeit des Berufers liegt. Das reicht aber zur Annahme einer Liebhaberei nicht aus. Das FA verkennt, dass eine Tätigkeit, die mit Passion betrieben wird, dann aufhört, eine Liebhaberei im steuer...