Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld bei Erwerbstätigkeit in den Niederlanden
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Kindergeldanspruch einer in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Anspruchsberechtigten, die in den Niederlanden erwerbstätig ist und die in den Niederlanden aufgrund des Alters ihres Kindes von über 18 Jahren keinen Anspruch auf Kindergeld (mehr) hat, ist weder durch § 65 EStG noch durch gemeinschaftsrechtliche Regelungen ausgeschlossen.
2) Findet im Rahmen der Zuordnung nach Art. 13 VO (EWG) 1408/71 als Recht des Beschäftigungsmitgliedstaats niederländisches Recht Anwendung und steht der Anspruchsberechtigten in den Niederlanden ein Anspruch auf Familienleistungen zu, wird der damit kumulierende Anspruch auf Kindergeld in Deutschland im Anwendungsbereich von Art. 10 VO (EWG) 574/72 nicht ausgeschlossen. Vielmehr ruht der deutsche Kindergeldanspruch in Höhe des Anspruchs auf niederländische Familienleistungen.
Normenkette
EStG § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; VO (EWG) 1408/71 Art. 13; VO (EWG) 574/72 Art. 10; VO (EWG) 1408/71 Art. 73, 77; EStG § 62
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die alleinerziehende Klägerin (Klin.) für den Zeitraum, wo sie in den Niederlanden erwerbstätig war, keinen Anspruch auf Kindergeld in der Bundesrepublik hatte und das gezahlte Kindergeld zurückzahlen muss.
Mit Antrag vom 10. Januar 2002 beantragte die Klin. für ihre Söhne E., geboren am 2. April 1985, und K., geboren am 7. Februar 1992, Kindergeld. Sie gab dabei an, dass sie vom Vater der Kinder dauernd getrennt lebe. Mit Bescheid vom 26. Februar 2002 setzte die Beklagte (Bekl.) das Kindergeld für die beiden Söhne ab Januar 2002 mit monatlich jeweils 154,00 ?fest. Der Klin. wurde fortlaufend Kindergeld in entsprechender Höhe gezahlt. Im Mai 2005 wurde der Bekl. durch einen Antrag der Klin. auf Kindergeldzuschlag bekannt, dass die Klin. in den Niederlanden erwerbstätig war. Mit Verfügung vom 18. Mai 2005 teilte die Bekl. mit, dass ein Anspruch auf Kindergeld nicht mehr bestehe und bat um Übersendung eines Arbeitsvertrages und Mitteilung, ob sie in den Niederlanden die Familienleistungen beantragt oder erhalten habe. Die Klin. teilte daraufhin mit, dass sie in den Niederlanden noch kein Kindergeld erhalten und auch noch keinen Antrag gestellt habe. Sie übersandte in Kopie ihre Arbeitsverträge. Mit Verfügung vom 29. Juni 2005 teilte die Bekl. der Klin. mit, dass sie möglicherweise für den Zeitraum von Juli 2003 bis April 2005 für ihre Söhne Kindergeld erhalten habe, obwohl ein entsprechender Anspruch nicht bestanden habe. Es handele sich dabei um einen Betrag in Höhe von 6.776,00 ?. Zur Begründung führte die Bekl. aus, dass die Klin. seit dem 25. April 2003 in den Niederlanden erwerbstätig gewesen sei und somit ab Juli 2003 Anspruch auf Familienleistungen in den Niederlanden gehabt habe. Dabei komme es nicht darauf an, ob sie diesen Anspruch auch verwirklicht oder wegen fehlender Antragstellung keine Leistungen erhalten habe.
Im Rahmen der Anhörung teilte die Klin. mit, dass sie keinerlei Kenntnis davon gehabt habe, dass sie in den Niederlanden einen Antrag auf Familienleistungen hätte stellen müssen. Mit Verfügung vom 15. Juli 2005 hob die Bekl. die Kindergeldfestsetzung ab Juli 2003 auf und forderte einen Betrag in Höhe von 6.776,00 ?von der Klin. zurück.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2005 hat die Klin. hiergegen Einspruch eingelegt. Zur Begründung teilte sie mit, dass Kindergeld für E., der inzwischen volljährig sei, aufgrund eines eigenen Antrags gezahlt worden sei. Für E. bestehe ein Kindergeldanspruch im Sinne von § 2 Abs. 2 Ziffer 1 Bundeskindergeldgesetz. Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 8. Februar 2006 hat die Bekl. den Einspruch der Klin. als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass nach den Regelungen der Verordnung (EWG) 1.408/71 (VO) bzw. der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung (EWG) 574/72 (DVO) deutsches Kindergeldrecht nicht anwendbar sei und die Klin. durch ihre Betätigung in den Niederlanden dort einen Anspruch auf Familienleistungen habe. Das deutsche Kindergeld sei somit zu Unrecht festgesetzt und gezahlt worden. Die Festsetzung sei nach § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) aufzuheben und nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zurückzufordern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die EE der Bekl. vom 8. Februar 2006 verwiesen, die sich in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen befindet.
Mit ihrer am 7. März 2006 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klin. ihr Begehren weiter. Sie teilt mit, dass sie, nachdem sie von ihrem Anspruch auf Familienleistungen in den Niederlanden erfahren habe, erst dort einen entsprechenden Antrag gestellt habe. Sie habe für das dritte und vierte Quartal 2004 und für das Jahr 2005 vierteljährlich 252,31 ?für ihren Sohn K. erhalten. Für ihren Sohn E. sei die Zahlung von Kindergeld in den Niederlanden abgelehnt worden. Die Klin. ist der Ansicht, dass durch die Regelungen in den EWG-...