Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit der Zinsfestsetzung; Ermessensfehler
Leitsatz (redaktionell)
Stützt das Finanzamt die Ablehnung eines Erlassantrags zu Steuerzinsen nach § 233a Abs. 2a AO im Wesentlichen auf die Gesetzmäßigkeit der Zinsfestsetzung und lässt die vom Stpfl. vorgebrachten besonderen Erwägungen des Einzelfalls unberücksichtigt, liegt eine Ermessensunterschreitung vor, die zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung und zur Neubescheidung des Stpfl. führt.
Normenkette
AO §§ 163, 227, 233a; FGO § 101 S. 2; AO § 5
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Festsetzung von Nachforderungszinsen zur Einkommensteuer (§ 233a der Abgabenordnung – AO –) der Höhe nach sachlich unbillig ist und daher ein Teilerlass nach §§ 163, 227 AO gerechtfertigt erscheint.
Die Kläger sind Eheleute. Der Ehemann war im Streitjahr 2006 an mehreren Kommanditgesellschaften beteiligt und erzielte hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Die Kläger beantragten für das Jahr 2006 in ihren jeweils im März 2008 abgegebenen Einkommensteuererklärungen übereinstimmend zunächst die Durchführung von getrennten Veranlagungen (§§ 26, 26a des Einkommensteuergesetzes – EStG –). Aufgrund von hohen Verlustvorträgen zur Einkommensteuer (§ 10d EStG) setzte der Beklagte gegen den Ehemann mit Bescheiden vom 03.04.2008 und 10.08.2009 die Einkommensteuer für 2006 – jeweils nach Maßgabe der Grundtabelle – zunächst auf EUR Null fest. Die Einkommensteuerfestsetzung für 2006 gegenüber der Ehefrau belief sich ebenfalls auf EUR Null (Bescheid vom 22.04.2008).
Im März 2011 begann das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung X-Stadt mit einer Betriebsprüfung bei einer derjenigen Kommanditgesellschaften, an der der Ehemann als Mitunternehmer beteiligt war. Die Feststellungen der Prüfung führten zu geänderten Gewinnfeststellungsbescheiden und beim Ehemann zu einer Zurechnung von gewerblichen Einkünften aus jener Kommanditgesellschaft für das Jahr 2006 in Höhe von nunmehr EUR .. …. … (zuvor: ./. EUR …. …).
Auf Grundlage des geänderten Gewinnfeststellungsbescheides erließ der Beklagte gegenüber dem Ehemann unter dem 15.05.2012 einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006, in dem er die Einkommensteuer nunmehr auf EUR 328.175 und – erstmals – Nachforderungszinsen nach § 233a AO in Höhe von EUR 80.396 für den Zeitraum vom 01.04.2008 bis 18.05.2012 (49 Monate / 0,5 %) festsetzte.
Der Ehemann erhob gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 Einspruch und beantragte nunmehr – nachträglich – die Durchführung einer Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau; diese stimmte zu. Der Beklagte folgte diesem Antrag und hob zunächst den gegen die Ehefrau ursprünglich erlassenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 auf. Mit Bescheid vom 06.09.2012 führte er sodann eine Zusammenveranlagung für das Jahr 2006 durch und setzte die Einkommensteuer unter Anwendung der Splittingtabelle auf EUR 150.548 herab. Die Zinsfestsetzung von EUR 80.396 blieb in unveränderter Höhe bestehen.
Die Kläger beantragten einen Teilerlass der Nachforderungszinsen in Höhe von EUR 40.514. Sie begründeten ihren Antrag mit der Herabsetzung ihrer Einkommensteuerschuld durch die – nachträglich gewählte – Zusammenveranlagung und dem Hinweis, dass im Falle einer von Anfang an durchgeführten Zusammenveranlagung die geforderte Verzinsung von EUR 80.396 einem Zinssatz von 13,08 % p.a. entspräche. Sachlich billig sei dagegen lediglich die Verzinsung auf Grundlage der Einkommensteuernachforderung von EUR 150.548; bei einem Zinslauf von 53 Monaten zu 0,5 % / Monat ergäbe sich eine Verzinsung von lediglich EUR 39.882.
Der Beklagte lehnte den Teilerlass ab. Sachliche Billigkeitsgründe für einen (Teil)Erlass i.S. von §§ 163, 227 AO lägen nicht vor. Die Zinsfestsetzung nach § 233a AO diene dazu, den Liquiditätsvorteil des Steuerschuldners und den Liquiditätsnachteil des Steuergläubigers auszugleichen, und zwar unabhängig von der konkreten Einzelfallsituation. Durch die Verzinsung solle ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen „aus welchen Gründen auch immer” zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig würden. Es sei nicht erheblich, ob der Steuerpflichtige tatsächlich Zinsvorteile gezogen habe; die reine Möglichkeit der Kapitalnutzung genüge. Der zulässige Wechsel der Veranlagungsart von der getrennten zur Zusammenveranlagung sei ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Für den zu verzinsenden Unterschiedsbetrag, der sich für die durchgeführte Zusammenveranlagung ergebe, begönne der Zinslauf erst mit Ablauf von 15 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres 2012 (§ 233a Abs. 2a AO); in jenem Jahr sei der Antrag auf Wechsel der Veranlagungsart gestellt worden. Aufgrund der gesetzlichen Regelung könne eine Minderung der bisher festgesetzt...