Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung von Differenzkindergeld
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Berechnung von Differenzkindergeld ist neben dem belgischen Kindergeld auch der in Belgien gewährte „Alleinerziehendenzuschlag” (Éénoudergezin) abzuziehen.
Normenkette
EStG §§ 63, 32, 64; EU VO Nr. 883/2004 Art. 1-3, 68; AKBW Art. 41, 51 ff.; EStG § 62
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Änderung der Festsetzung des Differenz-Kindergeldes und der Rückforderung von Kindergeld.
Die Klägerin, die belgische Staatsangehörige ist, bezog für ihren Sohn M., geboren am xx.xx.1999, fortlaufend – auch im streitigen Zeitraum von Januar 2017 bis Mai 2018 – Familienleistungen in Belgien und Differenz-Kindergeld in Deutschland. Sie und ihr Sohn hatten im streitigen Zeitraum ihren Wohnsitz in Deutschland. Ihr Sohn besuchte das …, eine Schule der Sekundarstufe II des Kreises S.. Von dem Vater ihres Sohnes, F. J., der seinen Wohnsitz im streitigen Zeitraum in Belgien hatte und dort unselbständig erwerbstätig war, ist sie seit 2003 geschieden. Die Klägerin bezieht seit 2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Bund.
Die Beklagte setzte unter dem 17.04.2015 gegenüber der Klägerin Differenz-Kindergeld für den Sohn fest. In dem Bescheid führte sie aus, dass die Klägerin gleichzeitig auch in Belgien einen Anspruch auf Familienleistungen für ihren Sohn habe. Der Kindergeldanspruch nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) sei deshalb unter Berücksichtigung der dort vorgesehenen Leistungen zu prüfen. Der Bruttobetrag der ausländischen Leistungen sei niedriger als das ihr für ihren Sohn zustehende Kindergeld. Der sich daraus ergebende Unterschiedsbetrag werde ab Dezember 2014 gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) vorläufig festgesetzt. Eine endgültige Entscheidung über die Höhe des Kindergeldes erfolge, wenn eine Bescheinigung über die Höhe der in Belgien zustehenden Familienleistungen vorliege. Der Klägerin wurde für den streitigen Zeitraum insoweit zunächst wie folgt Kindergeld unter Berücksichtigung eines Anrechnungsbetrags in Höhe von 114,23 EUR gewährt:
Januar 2017 bis März 2017 |
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Kindergeld nach dem EStG |
192,00 EUR |
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Ausländische Familienleistungen |
114,23 EUR |
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Unterschiedsbetrag |
77,77 EUR |
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× 3 Monate |
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233,31 EUR |
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April 2017 bis Dezember 2017 |
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Kindergeld nach dem EStG |
192,00 EUR |
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Ausländische Familienleistungen |
114,23 EUR |
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Unterschiedsbetrag |
77,77 EUR |
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× 9 Monate |
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699,93 EUR |
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Januar 2018 bis Mai 2018 |
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Kindergeld nach dem EStG |
194,00 EUR |
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Ausländische Familienleistungen |
114,23 EUR |
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Unterschiedsbetrag |
79,77 EUR |
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× 5 Monate |
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398,85 EUR |
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1.332,09 EUR |
In der Kindergeldakte ist eine „Bescheinigung Kindergeld” der belgischen Behörde FAMIFED (Föderale Agentur für Kindergeld) abgeheftet, die die Klägerin auf Aufforderung der Beklagten übersandte. Nach der Bescheinigung hat die Klägerin ab Januar 2017 ein Anrecht auf einen Zuschlag für Alleinerziehende. Demnach sind an die Klägerin belgische Leistungen für Januar bis März 2017 in Höhe von je 187,85 EUR und für April 2017 bis Mai 2018 in Höhe von je 201,12 EUR erbracht worden.
Mit Bescheid vom 23.07.2018 änderte die Beklagte die Kindergeldfestsetzung. Sie führte in dem Bescheid aus: Aufgrund der Bestätigung des ausländischen Trägers über die Höhe der ihr in Belgien zustehenden Familienleistungen, werde der Kindergeldanspruch für die Zeit von Januar 2017 bis Mai 2018 abschließend festgesetzt. Während des Zeitraums Januar 2017 bis Mai 2018 seien vorläufig Kindergeld-Unterschiedsbeträge in Höhe von 1.338,09 EUR gezahlt worden. Es sei für diesen Zeitraum ein Betrag in Höhe von insgesamt 1.325,64 EUR überzahlt worden, der nach § 37 Abs. 2 AO zu erstatten sei. In der Anlage zum Bescheid errechnete die Beklagte das Differenzkindergeld wie folgt neu:
Januar 2017 bis März 2017 |
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Kindergeld nach dem EStG |
192,00 EUR |
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Ausländische Familienleistungen |
187,85 EUR |
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Unterschiedsbetrag |
4,15 EUR |
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× 3 Monate |
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12,45 EUR |
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April 2017 bis Dezember 2017 |
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Kindergeld nach dem EStG |
192,00 EUR |
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Ausländische Familienleistungen |
201,12 EUR |
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Unterschiedsbetrag |
0,000 EUR |
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0,00 EUR |
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Januar 2018 bis Mai 2018 |
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Kindergeld nach dem EStG |
194,00 EUR |
|
Ausländische Familienleistungen |
201,12 EUR |
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Unterschiedsbetrag |
0,000 EUR |
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0,00 EUR |
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein und trug vor, dass der Bescheid für sie nicht nachvollziehbar sei. Er sei nicht korrekt. Die belgische Kindergeldkasse habe sie Anfang letzten Jahres angeschrieben und sie darauf hingewiesen, dass sie eventuell ein Anrecht auf einen Kindergeldzuschlag habe. Nach einer Prüfung sei dieser Kindergeldzuschlag auch bewilligt worden. Es handele sich bei dem zusätzlichen Betrag in Belgien aber um einen Zuschlag und nicht um Kindergeld. Sie fügte ein Schreiben der FAMIFED bei, das folgenden (auszugsweisen) Inhalt hatte: „ … Arbeitslose, Rentner, Invalide, Personen mit Behinderung, Kranke, Alleinerziehende und hauptberuflich Selbständige mit Überbrückungsrecht können ein Anrecht auf Kindergeldzuschlag haben. … Für das Anrecht auf einen Kindergeldzuschl...