Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortsetzungsfeststellungsinteresse für Fortsetzungsfeststellungsklage

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein beabsichtigter Schadensersatzprozess im Hinblick auf eine Arrestanordnung begründet dann kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO, wenn sich die Anordnung bereits vor Klageerhebung erledigt hat.

 

Normenkette

AO §§ 324, 251, 254; FGO § 100 Abs. 1 S. 4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Arrestanordnung gegenüber der X-GmbH rechtswidrig gewesen ist.

Auf Ersuchen des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A-Stadt ordnete der Beklagte am 23.06.2016 den dinglichen Arrest in das Vermögen der X-GmbH an. Die Arrestanordnung erfolgte aufgrund § 324 der Abgabenordnung (AO) und zur Sicherung von Umsatzsteuerschulden i. H. v. insgesamt 4.929.187 €. Diese Summe setzte sich wie folgt zusammen:

Den Arrestanspruch begründete der Beklagte im Wesentlichen mit Ermittlungsergebnissen, nach denen dem Land Nordrhein-Westfalen mit hinreichender Sicherheit demnächst ein Steueranspruch in dieser Höhe zustehen würde. Die Arrestschuldnerin habe umsatzsteuerpflichtige Umsätze bisher zu Unrecht als umsatzsteuerfrei behandelt. Darüber hinaus begründete er den Arrestgrund zuvorderst damit, dass die bisher ermittelten Umstände das Bestreben der handelnden Personen erkennen ließen, die tatsächlichen Erlös- und Umsatzverhältnisse gegenüber den Steuerbehörden zu verschleiern.

Zeitgleich mit der persönlichen Zustellung der Arrestanordnung übergab der Beklagte der X-GmbH geänderte Umsatzsteuerbescheide für die o. g. Zeiträume und über die o. g. Beträge. Die Umsatzsteuerabschlusszahlungen waren sofort fällig.

Die X-GmbH zahlte noch am Tag der Bekanntgabe der Arrestanordnung und der geänderten Umsatzsteuerbescheide einen Betrag i. H. v. 4.000.000 €. Sie vereinbarte mit dem Beklagten, dass die restliche Zahllast aus den Umsatzsteuerbescheiden in Raten bis spätestens zum 08.07.2016 überwiesen werden sollte. Daraufhin hob der Beklagte gegenüber verschiedenen Banken ausgebrachte Pfändungsverfügungen auf.

Wegen der Arrestanordnung hat die X-GmbH am 28.07.2016 Klage erhoben (wegen der Umsatzsteuerbescheide s. Verfahren des FG Münster mit den Az. 15 V 2440/16, EFG 2017, 1463 und 5 K 2292/17, noch anhängig). Nach Klageerhebung wurde über das Vermögen der X-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (Beschluss des Amtsgerichts B-Stadt vom xx.xx.2017). Der Kläger hat das Verfahren in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter aufgenommen. Er habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Arrestanordnung rechtswidrig gewesen sei. Er beabsichtige eine Amtshaftungsklage zu erheben.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Arrestanordnung des Beklagten vom 23.06.2016 rechtswidrig gewesen ist;

hilfsweise, sämtliche Beweise gem. den Beweisantritten aus dem Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 30.10.2018 zu erheben;

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens oder Teilunterliegens die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens oder Teilunterliegens die Revision zuzulassen.

Zur Begründung trägt er vor, dass der Kläger sein Feststellungsinteresse substantiiert darlegen müsse. Bislang habe er nicht schlüssig dargelegt, welcher Schaden durch die Arrestanordnung eingetreten sei.

In der Sache hat am 31.10.2018 eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf das diesbezügliche Protokoll wird verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist, wovon auch die Beteiligten ausgehen, als Fortsetzungsfeststellungsklage zu qualifizieren. Mangels Vorliegens eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses ist die Klage jedoch unzulässig.

Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 FGO). Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO).

Der aus § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO hergeleitete Sonderfall der Feststellungsklage – die Fortsetzungsfeststellungsklage – bezieht sich auf Fälle, in denen sich eine zulässige Anfechtungsklage vor der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache erledigt hat, beispielsweise durch Rücknahme des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch antragsgemäße Änderung. Das Interesse der Kläger an einer Feststellung ist in diesen Fällen schutzwürdig, da die Kläger nicht ohne Not um die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht werden dürfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Klageverfahren unter einem entsprechenden Aufwand einen bestimmten Stand erreicht hat und sich mit der Erledigung des ursprünglich...

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