Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehung der Kapitalertragsteuer für Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter
Leitsatz (redaktionell)
Die Zuflussfiktion für Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter nach den §§ 43 Abs. 1 Nr. 3, 44 Abs. 3 EStG knüpft an die Aufstellung der Bilanz und nicht an eine Auszahlung an und greift deshalb auch bei einem reinen Buchungsakt ein.
Die Haftung nach § 69 Satz 2 FGO umfasst zwar auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge, jedoch sind bei einer Inanspruchnahme des Haftungsschuldners bereits Billigkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen, die bei der Erhebung der Säumniszuschläge beim Steuerschuldner - hier A GmbH - sonst nach § 227 AO zu einem Billigkeitserlass führen können.
Normenkette
EStG § 44 Abs. 3, § 43 Abs. 1 Nr. 3; AO §§ 69, 34 Abs. 1, § 191 Abs. 1 S. 1, §§ 227, 240 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger für rückständige Kapitalertragsteuer und rückständigen Solidaritätszuschlag der Firma A Gesellschaft für mbH i.L., 1 (künftig nur noch als A-GmbH bezeichnet) sowie die gegenüber dieser Gesellschaft angefallenen Säumniszuschläge für den Anmeldungszeitraum Juli 2000 gemäß § 69 AO haftet.
Die A-GmbH wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 22.03.1994 (UR-Nr. ) der Notarin B, 2, gegründet und am 14.06.1994 in das Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist u.a. die Durchführung von Bauvorhaben sowie die Vermittlung von Vermögensanlagen, insbesondere von Immobilien. Der Kläger und C waren zunächst mit einer jeweils 50-prozentigen Beteiligung Gesellschafter der A-GmbH und alleinvertretungsbefugte Geschäftsführer. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 02.06.1995 (Handelsregistereintrag vom 10.08.1995) wurde C als Geschäftsführer abberufen, sodass der Kläger bis zum 28.05.2001 alleiniger Geschäftsführer der A-GmbH war. Laut Handelsregistereintrag vom 28.05.2001 unter HRB des Amtsgerichts 1 ist der Kläger nicht mehr Geschäftsführer, gleichzeitig wurde D zur Geschäftsführerin der A-GmbH bestellt.
Der A-GmbH konnten stille Gesellschafter unter Verwendung eines Musters als Beitrittserklärung beitreten. Es galten u.a. folgende Vertragsbedingungen:
§ 2 – Dauer der Gesellschaft, Geschäftsjahr
1. Die Gesellschaft wird auf 3, 5 oder 7 Jahre abgeschlossen. Nach Ablauf der vereinbarten Mindestzeitdauer verlängert sich die stille Gesellschaft jeweils um ein Jahr, sofern nicht eine der Vertragsparteien wirksam gemäß § 11 dieses Vertrages kündigt.
2. Das Geschäftsjahr entspricht dem der Inhaberin und ist mit dem Kalenderjahr identisch.
3. Mit schriftlicher Zustimmung der Inhaberin kann die Dauer des Vertrages auf Antrag des stillen Gesellschafters einvernehmlich verkürzt werden.
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§ 5 – Konten der stillen Gesellschafter
1. Für den stillen Gesellschafter werden bei der Inhaberin ein Einlagenkonto, ein Privatkonto und ein Verlustkonto als Kapitalgegenkonto geführt.
2. Auf dem Einlagenkonto wird die Einlage des stillen Gesellschafters verbucht. Das Konto ist fest und unverzinslich.
3. Auf dem Privatkonto werden die Zinsen, Gewinne und Auszahlungen nach § 8 Abs. 2 verbucht. Das Konto ist im Soll und Haben mit 4 % p.a. zu verzinsen.
4. Auf dem Verlustkonto werden die Verlustanteile verbucht. Ist das Verlustkonto belastet, wird dieses durch Umbuchung vom Privatkonto ausgeglichen.
5. Das Einlagenkonto, das Privatkonto und das Verlustkonto sind bei Beendigung der stillen Gesellschaft zu verrechnen und ergeben zusammen das Kapitalkonto des stillen Gesellschafters.
§ 6 – Jahresabschluss
1. Die Inhaberin hat innerhalb von acht Monaten nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres ihren Jahresabschluss zu erstellen und dem stillen Gesellschafter abschriftlich zu übermitteln. ...
2. Der Jahresabschluss hat den einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften zu entsprechen.
...
§ 8 – Entnahmen
1. Der stille Gesellschafter ist nicht berechtigt, innerhalb der Vertragsdauer des stillen Gesellschaftervertrages Entnahmen zu tätigen.
2. Die Inhaberin ist berechtigt, das Guthaben des stillen Gesellschafters auf dem Privatkonto jederzeit ganz oder teilweise auszuzahlen.
Auf Antrag des Rechtsanwalts der neuen Geschäftsführerin vom 16.09.2002 eröffnete das Amtsgericht 1 –Insolvenzgericht- (Az. IN ) mit Beschluss vom 01.10.2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH. Die Gesellschaft ist dadurch aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung waren noch 21 stille Gesellschafter beteiligt. Nach der Mitteilung des Insolvenzverwalters vom 02.02.2009 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH noch nicht abgeschlossen.
Der Jahresabschluss für 1999 der Gesellschaft wurde am 30.06.2000 aufgestellt. Die Gewinn- und Verlustrechnung weist einen Jahresüberschuss in Höhe von 67.576,05 DM sowie aufgrund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewin...