Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigungsfähigkeit einer Umwegstrecke bei den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Einkommensteuer 1973

 

Leitsatz (amtlich)

Bei den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte kann statt der kürzesten benutzbaren Straßenverbindung ausnahmsweise eine – verkehrsgünstigere– Umwegstrecke berücksichtigt werden, wenn die Benutzung der kürzeren Wegstrecke unzumutbar ist.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, § 12 Nr. 1; LStR 1972 Abschn. 25 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

 

Tatbestand

Streitig ist ob bei der steuerlichen Berechnung der Aufwendungen des Klägers für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die kürzeste Entfernung zugrunde zu legen oder ob ausnahmsweise die tatsächlich gefahrene Strecke anzusetzen ist.

Der Kläger, Angestellter eines Betriebs in … fuhr 1973 mit seinem PKW regelmäßig von der Wohnung zur Arbeitsstätte. Dabei legte, wie er behauptet, nicht die kürzeste Wegstrecke von 7 km durch die Stadt zurück, sondern er fuhr einen Umweg über … – teilweise über die Autobahn –, so daß sich hierdurch eine Gesamtwegstrecke von 21 km ergab. In der Einkommensteuererklärung 1973 beantrage er unter Hinweis auf Abschn. 25 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR), diese Entfernung bei der Berechnung seiner Werbungskosten zugrunde zu legen, da die gefahrene Wegstrecke verkehrsgünstiger sei. Es treten nämlich auf der kürzeren Strecke während der Hauptverkehrszeiten, zu denen er jeweils unterwegs sei, im Bereich … Stauungen auf.

Das Finanzamt berücksichtigte bei der Einkommensteuerveranlagung 1973 lediglich die Entfernung von 7 km. Hiergegen hat der Kläger Einspruch eingelegt, der im Streitpunkt keinen Erfolg hatte. Die Einspruchsentscheidung vom 24. April 1976 hat das Finanzamt wie folgt begründet: Die zeitliche Verzögerung auf der Fahrt durch die Innenstadt sei nicht so erheblich gewesen, daß durch den gefahrenen Umweg eine wesentliche Verkürzung der Fahrtzeit erzielt worden wäre. So hätten im Jahre 1973 die Zeitverzögerungen durch Stauungen im besagten Straßenzug nach den eigenen Erfahrungen des Sachbearbeiters beim Finanzamt allenfalls 10 – 15 Minuten betragen, zumal erfahrungsgemäß auf den Straßenzug … die linke, vom Kläger zu benutzende Fahrspur eine zügige Fahrt erlaube. Im übrigen müsse Abschn. 25 der LStR im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) gesehen werden. Offensichtlich verkehrsgünstiger sei demnach nur eine günstigere längere Straßenverbindung, wenn sie eindeutig schneller und sicherer sei. Eine größere Abweichung sei nur im krassen Ausnahmefällen möglich, wenn andernfalls die gesetzliche Regelung zu einem widersinnigen und lebensfremden Ergebnis führen würde.

Mit der Klage hat der Kläger beantragt, als Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die tatsächlich gefahrene längere Straßenverbindung zugrunde zu legen. Zur Begründung hat er im wesentlichen folgendes vorgetragen: Für die Fahrt über … benötige er bei normaler Fahrweise von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte 18 – 20 Minuten. Diese Zeit sei im Jahre 1973 zu den Hauptverkehrszeiten nicht erreichbar gewesen. Man benötige außerhalb der Hauptverkehrszeiten für diese Strecke bereits 10 – 12 Minuten Fahrzeit. Dazu kämen morgens und abends beachtliche Zeitverluste durch Stauungen. Eine Zeitverzögerung von 10 – 15 Minuten, wie sie das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung angenommen habe, reiche nicht aus. So treffe es zwar zu, daß morgens erfahrungsgemäß die linke Fahrspur auf der … und der … eine zügigere Fahrt erlaube. Die Schwierigkeit liege aber bei der Einfahrt in den Straßenzug …. Hier sei der Stau aufgetreten und trete hier zum Teil auch heute noch auf. Außerdem sei der betreffende Sachbearbeiter des Finanzamts im Finanzamtsgebäude in der … tätig. Es sei daher zu berücksichtigen daß er – abgesehen von der gleitenden Arbeitszeit – sich auf der abendlichen Heimfahrt auf einem durch die Ampelregelung bevorzugten Verkehrszug befinde. Er (der Kläger) jedoch komme abends aus der … und habe vor der Einfahrt auf die … erhebliche Stauungen zu bewältigen. So könne es heute noch passieren, daß abends allein von der Zuckerfabrik bis zur Kreuzung … – eine Teilstrecke von ca. 600 m – 15 bis 20 Minuten benötigt würden. Die Strecke über … sei also offensichtlich verkehrsgünstiger als der kürzeste Weg durch die Stadt. Dabei sei auch zu beachten, daß er die Entscheidung, ob er durch die Stadt oder über … fahre, sowohl morgens als auch abends bereits nach einigen 100 m Fahrweg treffen müsse. Nach alldem sei die längere Fahrtstrecke nach Abschn. 25 der LStR der Berechnung der Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zugrunde zu legen. Im übrigen bringe der gefahrene Umweg weitere Vorteile mit sich: so würden seine Gesundheit und Nerven weniger strapaziert, sein Wagen durch zügigeres Fahren geschont, der Verkehr in der Innerstadt würde entlastet. Außerdem sei die Verkehrsgefährdung nicht so groß im Stadtverkehr.

Das ...

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