Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbindliche Auskunft: Anforderungen an die Darstellung des noch nicht verwirklichten Sachverhalts - Vorlage des vollständigen Vertrags(entwurfs)
Leitsatz (redaktionell)
1. Für eine umfassende und in sich abgeschlossene Darstellung des zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklichten Sachverhalts muss der Antragsteller dem Finanzamt sowohl alle tatsächlichen Merkmale mitteilen, auf deren Verwirklichung es ihm ankommt, als auch alle weiteren Merkmale, die nach der Rechtsauffassung der Finanzbehörde für die Beantwortung der vom Antragsteller gestellten Rechtsfragen von Bedeutung sind.
2. Das Erfordernis einer umfassenden und in sich abgeschlossenen Darstellung bedeutet nach allgemeinem Wortsinn, dass der Antragsteller den Sachverhalt vollständig und, soweit möglich, sinnvoll und zumutbar, im Einzelnen beschreiben muss. Er darf sich nicht auf eine Zusammenfassung beschränken oder nur ausgewählte Sachverhaltsausschnitte wiedergeben.
3. Genaue Bestimmtheit erfordert ein besonders hohes Maß an Bestimmtheit, das eine eindeutige Beurteilung ermöglicht, ob der später verwirklichte Sachverhalt dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt entspricht oder, wenn auch möglicherweise nur unwesentlich, abweicht
4. Gehört zu dem noch nicht verwirklichten Sachverhalt der Abschluss oder die Änderung eines Vertrags, muss der Antragsteller grundsätzlich den vollständigen Vertragsentwurf oder den vollständigen Vertrag und den vollständigen Entwurf des Änderungsvertrags vorlegen. Anderenfalls könnte das Finanzamt nicht abschließend beurteilen, ob der Vertrag den vom Kläger behaupteten Inhalt hat.
Normenkette
AO § 89 Abs. 2, 2 Sätze 1, 5; StauskV § 2 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt) verpflichtet ist, dem Kläger verbindliche Auskünfte zu umsatzsteuerrechtlichen Fragen zu erteilen.
Der Kläger ist als Diplom-Wirtschaftsingenieur hauptberuflich nichtselbständig tätig. Daneben unterhält er ein Flugzeug mit US-amerikanischer Zulassung, das er selbst fliegt. Rechtlicher Eigentümer des Flugzeugs ist ein US-amerikanischer Trust, deren Begünstigter (Beneficiary) er selbst ist. Eine weitere US-amerikanische Körperschaft ist als Treuhänder des rechtlichen Eigentümers als "Owner" in die US-amerikanische Luftfahrzeugrolle eingetragen. Über den Betrieb des Flugzeugs schloss der Kläger mit dem Trust, vertreten durch den Treuhänder, einen Betreibervertrag. Danach betreibt der Kläger das Flugzeug im Auftrag des Trusts. Dafür erhält er Zahlungen des Trusts (Art. 4 Abs. 9), die in einem gesonderten Anhang (Amendment B) geregelt sind. Im Gegenzug obliegen ihm Unterhalt, Wartung und Instandsetzung des Flugzeugs auf eigene Kosten (Art. 5 Abs. 1). Der Betreibervertrag enthält unter anderem eine Regelung (Art. 8), wonach der Kläger das Flugzeug bei Vertragsende inspizieren lassen und an den Trust zurückgeben muss. Sofern der Trust nichts anderes bestimmt, findet die Inspektion in A (B, USA), die Übergabe in C statt. Die innere Verfassung des Trusts und die Rechte und Pflichten des Klägers als Begünstigter sind kein Gegenstand des Vertrags. Die ertrag- und umsatzsteuerrechtliche Würdigung des Flugbetriebs war und ist Gegenstand mehrerer Rechtsstreite zwischen dem Kläger und dem Finanzamt.
Mit Schreiben vom 29.04.2016 beantragte der Kläger beim Finanzamt verbindliche Auskünfte sowohl zu ertrags- als auch zu umsatzsteuerrechtlichen Fragen. Er erläuterte und ergänzte seinen Antrag mit Schreiben vom 02.06.2016 und 05.07.2016. Danach beabsichtigte er, zunächst "unter Ausschluss jeder Gewährleistung oder zugesicherten Eigenschaft" sein Flugzeug zum Buchwert an den Trust zu veräußern. Anschließend wollte er seine Begünstigtenstellung zum Zeitwert des Flugzeugs, ermittelt durch eine Pre-Buy-Inspektion, zuzüglich stiller Reserven und eines frei verhandelten Goodwills an den Treuhänder oder eine mit ihm verbundene US-amerikanische Kapitalgesellschaft übertragen. Danach sollte ein neuer Betreibervertrag geschlossen werden, wonach der bisherige Treuhänder - dann Begünstigte - dem Kläger ausschließlich die Flugzeiten vergütet, die er aufgrund der ingenieurwissenschaftlichen Kenntnisse des Klägers auf dem Gebiet der linearen Optimierung einspart, weil er zur Bereitstellung des Flugzeugs für Dritte sog. Netzflüge anstelle von sog. Sternflügen durchführen kann. In Verhandlung waren nach Angaben des Klägers knapp 1.000 US-$ pro ersparter Betriebsstunde. Der Kläger gab jeweils zusammenfassend wieder, welchen wesentlichen Inhalt die abzuschließenden Verträge und Änderungsverträge aus seiner Sicht haben sollten. Zudem verwies er auf die zurückliegenden und noch anhängigen Einspruchs- und Klageverfahren. Das Finanzamt lehnte die Anträge mit Schreiben vom 30.09.2016 vollumfänglich ab. Der dagegen eingelegte Einspruch des Klägers war erfolglos.
Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht geltend, er habe dem Finanzamt einen hinreichend klar umrissenen Sachverhalt dargestellt und zudem ei...