Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit der Familienkasse Zentraler Kindergeldservice für die Fallgruppe „Kind mit Behinderung”
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Vorstandsbeschluss der Bundesagentur für Arbeit Nr. 12/2022 zur Übertragung der sog. "besonderen" Zuständigkeit für die Fallgruppe "Kindergeldberechtigter mit einem Kind mit Behinderung auf die Familienkasse Zentraler Kindergeldservice ist inhaltlich hinreichend bestimmt und klar abgrenzbar und damit wirksam (vgl. FG Münster, Urteil vom 18.04.2024 8 K 1319/21 Kg vom 18.04.2024; a.A. FG Berlin-Brandenburg 16 K 16111/23 vom 13.12.2023).
2. Soweit der tatsächliche Vollzug eines Vorstandsbeschlusses in mehreren Stufen erfolgt und Einzelheiten zu den verschiedenen Stufen durch gesonderte Weisungen geregelt werden sollten, betrifft dies lediglich die Ausgestaltung der tatsächlichen Umsetzung der Zuständigkeitsübertragung und führt nicht zur Unbestimmtheit des Beschlusses an sich, sondern dient lediglich dem geordneten Übergang einer Vielzahl von Fällen auf eine nunmehr zuständige Behörde.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; FVG § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 S. 4; FGO § 63 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Streitig verblieben ist allein die Frage der Zuständigkeit und passiven Prozessführungsbefugnis der Beklagten wegen Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld für ein Kind mit Behinderung.
Der Kläger ist der ältere Bruder des am XX.YY.1994 geborenen C. C ist schwerbehindert mit einem GdB von 100 und den Merkzeichen B, G und H. Die Behinderung besteht seit Geburt. Beide Elternteile sind verstorben. Der Kläger ist seit ca. 2010 zum Ersatzbetreuer und seit mindestens 2016 zum Betreuer für seinen jüngeren Bruder bestellt. Er bezog laufend Kindergeld für C, zuletzt unbefristet festgesetzt durch Bescheid vom 12.10.2017.
Im Zuge der Überprüfung der Kindergeldfestsetzung hörte die beklagte Familienkasse B den Kläger am 12.09.2022 wegen Aufhebung von Kindergeld für die Monate Dezember 2020 bis August 2022 sowie Kinderbonus 2021 und 2022 und Rückforderung von Kindergeld zzgl. Kinderbonus in Höhe von insgesamt 4.834 € an. Mit Bescheid vom 10.01.2023 hob die beklagte Familienkasse B die Festsetzung von Kindergeld für C für die Monate Dezember 2020 bis August 2022 sowie den Kinderbonus 2021 und 2022 gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte die Erstattung einer Überzahlung in Höhe von 4.834 € gemäß § 37 Abs. 2 AO. Die Prozessbevollmächtigte legte für den Kläger Einspruch ein. Der Einspruch des Klägers wurde durch die Familienkasse Zentraler Kindergeldservice mit Sitz in Magdeburg mit Einspruchsentscheidung vom 13.02.2024 zurückgewiesen.
Die Prozessbevollmächtigte erhob für den Kläger Klage und richtete diese gegen die Familienkasse B. Sie wurde mit Eingangsbestätigung vom 18.03.2024 gemäß § 76 Abs. 2 FGO auf mögliche Bedenken an der Zulässigkeit der Klage hingewiesen. Die Prozessbevollmächtigte vertritt diesbezüglich die Auffassung, die Klage sei gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1 FGO gegen die Behörde zu richten, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, mithin die Familienkasse B der Bundesagentur für Arbeit. Darauf, dass die Einspruchsentscheidung vom 13.02.2024 durch die Familienkasse Zentraler Kindergeldservice (Magdeburg) erging, komme es nicht an.
Der Familienkasse Zentraler Kindergeldservice fehle die Passivlegitimation. Denn das FG Berlin-Brandenburg habe mit Gerichtsbescheid vom 13.12.2023 (16 K 16111/23, nicht rkr.) entschieden, dass die Zuständigkeit der Familienkasse Zentraler Kindergeldservice wegen Unbestimmtheit des Vorstandsbeschlusses der Bundesanstalt für Arbeit vom 27.01.2022 nicht wirksam begründet worden sei. Der Vorstandsbeschluss überlasse den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Zuständigkeitsregelung internen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit, ohne dass es eine Delegationsbefugnis gebe. Unklar sei, ob mit "Personen", deren Daten besonders schützenswert sind, die Kindergeldberechtigten oder die Kinder oder beide gemeint seien. Nicht hinreichend bestimmt sei auch der Begriff "besonders schützenswerte Daten".
Richtiger Beklagter sei daher die Familienkasse B; die Familienkasse Zentraler Kindergeldservice sei nicht berechtigt, über den Einspruch zu entscheiden.
Für den Fall des Unterliegens sei die Revision zuzulassen. Beim BFH lägen bereits Verfahren wegen der Frage der Zuständigkeit der Familienkasse Zentraler Kindergeldservice sowie der Wirksamkeit des Vorstandsbeschlusses der Bundesagentur für Arbeit vor; hierzu sei unterschiedliche Rechtsprechung der Finanzgerichte ergangen.
Das streitgegenständliche Verfahren ist zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung und Entscheidung mit dem Verfahren des Klägers wegen Kindergeld ab September 2022 verbunden worden. Während der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte erklärt, im Hinblick auf die Ausführungen des Klägers werde das Vorliegen eines Pflegekindverhältnisses zwischen dem Kläger und seinem Bruder C während des Streitzeitraumes nicht weiter bestritten; auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 07.0...