Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Vorsteuerabzug aus Rechnungen einer GmbH, die nur willenloses Werkzeug eines Anderen ist - Kein Vertrauensschutz hinsichtlich der Unternehmereigenschaft
Leitsatz (amtlich)
Ein Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kommt nur dann in Betracht, wenn Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch sind. Dabei ist darauf abzustellen, wer tatsächlich dem Leistungsempfänger die Verfügungsmacht im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG an dem Liefergegenstand verschafft hat.
Einer juristischen Person fehlt die Selbständigkeit im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, wenn sie sich als willenloses Werkzeug eines Anderen darstellt. Das Merkmal der Selbständigkeit als Voraussetzung der Vorsteuerabzugsberechtigung ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen und nicht aus der Sicht des Leistungsempfängers zu beurteilen. Einen Gutglaubensschutz sieht das UStG nicht vor.
Ein Vorsteuerabzug kommt nicht in Betracht, wenn der Leistungsempfänger das maßgebliche betrugsbehaftete Umsatzgeschäft grobfahrlässig eingegangen ist.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin zum Abzug von Vorsteuerbeträgen aus ihren Gutschriften gegenüber der Firma A, B, bzw. von dieser in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer im Voranmeldungszeitraum Januar 2007 berechtigt ist.
Die Klägerin ist eine GmbH, die mit notariellem Vertrag vom 22.12.1999 in C gegründet wurde. Als Geschäftsführer sind D und E F und G H im Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist das Sammeln, Transportieren und Recycling von edelmetallhaltigen Materialien und Abfällen.
Seit dem Jahre 2001 bezog die Klägerin Katalysatoren von dem in Polen geborenen IJ. J stellte seine Lieferungen zunächst unter Anschriften in Deutschland und Polen ohne ausgewiesene Mehrwertsteuer in Rechnung. Ab dem Jahre 2002 trat J als Vermittler verschiedener in Deutschland ansässiger Firmen auf (z.B. K in L; M in L; N in O; P in Q; R in S). Die von diesen Firmen ausgeführten Lieferungen an die Klägerin wiesen stets Mehrwertsteuer aus.
Ab Oktober 2006 vermittelte J die Lieferungen über die Firma A, die am 02.08.2006 gegründet und am 29.08.2006 in das Handelsregister beim Amtsgericht B eingetragen worden war. Gegenstand des Unternehmens war der Kauf und Verkauf sowie der Vertrieb von Bowling-Systemen und Kfz-Teilen. Als Sitz der Gesellschaft wurde B, T, bestimmt und als Geschäftsführer war U V eingetragen. Die Gewerbeanmeldung erfolgte zum 01.08.2006. V schloss am 03.08.2006 einen Mietvertrag mit der anwaltlichen Bürogemeinschaft W über einen Büroraum von 26 qm in B, T, zum Betrieb eines Büros der Firma A ab. Regelmäßige Lieferungen unter dem Namen der Firma A an die Klägerin erfolgten ab 19.09.2006 durch den polnischen Fahrer X Y und wurden mit Barscheck oder teilweise durch Verrechnungen zu Lasten der Firma R beglichen. Die Barschecks nahm überwiegend der Fahrer X Y entgegen. U V hatte für die Firma A am 19.09.2006 eine Vollmacht für X Y ausgestellt, die ihn berechtigte, Barschecks entgegenzunehmen.
Am 16.11.2006 nahm die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Z Ermittlungen in der Steuerstrafsache gegen die Verantwortlichen der Firmen P und R bei der Klägerin vor. Im Rahmen einer Vernehmung der Geschäftsführerin E F als Zeugin erklärte diese, dass J nun bei der Firma A sei und mit dieser Firma zu ihr in Geschäftsbeziehung stehe.
Die im Klageverfahren streitigen Vorsteuerbeträge vom Januar 2007 wurden zunächst von der Klägerin in elf Gutschriften, datierend vom 02.01.2007 bis zum 30.01.2007, an die Firma A ausgewiesen, in denen sie über Monolith-Anlieferungen in der Zeit vom 10.10.2006 bis zum 07.11.2006 abrechnete und dabei insgesamt einen Umsatzsteuerbetrag von 48.786,29 € auswies. Über die abgerechneten Lieferungen erstellte die Firma A nach den Angaben der Klägerin vom 17.01.2007 eine Rechnung vom 19.01.2007 mit offen ausgewiesener Mehrwertsteuer in Höhe von 30.143,07 € und für die vom 16. bis 31.01.2007 abgerechneten Lieferungen nach den Angaben der Klägerin vom 01.02.2007 eine Rechnung vom 05.04.2007 mit offen ausgewiesener Mehrsteuer in Höhe von 18.643,23 €. Der Warenwert der auf diese Weise abgerechneten Lieferungen betrug insgesamt 305.556,30 € brutto. Die Klägerin stellte zugunsten der Firma A einen Scheck über 178.451,09 € am 17.01.2007 und einen Scheck über 126.898,70 € am 24.01.2007 aus, den Y jeweils bei der Bankfiliale in C gegen Bargeld einlöste.
Die Klägerin reichte die Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 2007 am 26.02.2007 ein und berechnete einen Erstattungsanspruch in Höhe von 519.127,15 €. Darin enthalten waren die Gutschriften gegenüber der Firma A vom Januar 2007 mit einem Vorsteueranspruch von insgesamt 48.786,29 €.
Ab Juni 2007 führte die Steuerfahndungsstelle Ermittlungen bei der Klägerin für den Zeitraum 2001 bis August 2007 durch. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass IJ an die Klägerin Katalysatoren ange...