Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsausbildung eines Kindes ohne regelmäßigen Besuch der Ausbildungsstätte (Schule)
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Schulausbildung ist nicht nur dann als Berufsausbildung anzuerkennen, wenn der Schüler in eine schulische Mindestorganisation eingebunden ist, die eine gewisse Lernkontrolle ermöglicht.
2. Bereitet sich ein Kind ohne regelmäßigen Besuch einer Ausbildungsstätte selbstständig auf Prüfungen vor, sind an den Nachweis und die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen. Zweifel gehen nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des Kindergeldberechtigten.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 Nr. 2a
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist das Kindergeld für Z (geboren 29.03.1992).
Z schloss die Hauptschule in D am 29.07.2010 ab. Im Schuljahr 2010/2011 war Z an der X Universität in F eingeschrieben. Die X Universität in F bestätigte mit Schreiben vom 18.11.2010, dass Z seit Oktober 2010 an der Schule eingeschrieben ist. Nach dem Schreiben beträgt die normale Bildungszeit 4 Jahre, was der Besuchsdauer der Gymnasien in der Türkei entspricht. Die normale Studienzeit von 4 Jahren kann höchstens bis zu 6 Jahren verlängert werden. Für die Vorbereitung werden wöchentlich nach dem Schreiben der X Universität ca. 30 Stunden Arbeitszeit benötigt, um die Prüfungen erfolgreich ablegen zu können. Die Externprüfungen zum Erwerb des türkischen Gymnasialabschlusses finden jährlich im Februar, im Mai und im August statt.
Z nahm an der Zwischenprüfung in F am 12./13.02.2011 teil, konnte jedoch nur in den Fächern Fremdsprache 1 und Wirtschaft 1 bestehen, in allen anderen Fächern nicht. Bei den Prüfungen am 21./22.05.2011 konnte Z in den Fächern Religion 1 und Fremdsprache 2 gute bis sehr gute Ergebnisse erzielen. Die übrigen Fächer wurden mit nicht bestanden gewertet. Bei den Prüfungen am 20./21.08.2011 erzielte er die Note „gut“ in den Fächern Religion 2, Geschichte und türkische Literatur. Die übrigen Fächer wurden nicht bestanden.
Mit Bescheid vom 11.01.2011 hob die Familienkasse das Kindergeld für Z ab August 2010 auf und forderte das für den Zeitraum von August 2010 bis November 2010 ausbezahlte Kindergeld i.H.v. 760 € zurück.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Besuch der Fernuniversität X nicht als Ausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 EStG anerkannt werden könne. Die Dauer und Intensität der Ausbildung dürfe nicht der Selbstverantwortung des Schülers überlassen werden. Von einer Ernsthaftigkeit der Ausbildung könne nur dann ausgegangen werden, wenn geeignete Nachweise in Form von Bescheinigungen über die regelmäßige Einreichung von Hausarbeiten zur Korrektur, Nachweise über abgelegte Zwischenprüfungen, Leistungsnachweise und Bescheinigungen über den Fortgang der Ausbildung vorgelegt werden.
Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos.
Mit der Klage beantragt die Prozessbevollmächtigte unter Aufhebung des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids vom 11.01.2011 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 30.05.2011 Kindergeld ab August 2010 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen:
Z habe sich in der Schulausbildung befunden, sodass ein Anspruch auf Kindergeld weiterhin bestehe. Fernschulen würden nach Ziffer 63.3.2.1 der Dienstanweisung als schulische Einrichtung im Sinne des EStG gelten. Entgegen der Ansicht der Familienkasse liege die Ausbildung nicht überwiegend in der Gestaltungsfreiheit des Schülers. Zwar seien keine bei der Schule einzureichenden Hausarbeiten zu fertigen und bestehe keine Präsenzpflicht. Der Schüler sei jedoch in eine Mindestorganisation eingebunden, die dauernde Lernkontrollen ermögliche. Die Schüler würden ihre Lehrbücher jeweils vor Beginn des jeweiligen Ausbildungsabschnittes direkt aus der Türkei erhalten und müssten sich dann selbständig auf die Prüfungen vorbereiten. Das Schuljahr sei in 3 Abschnitte unterteilt. Die Prüfungen fänden jährlich im Februar, Mai und August in F statt und würden daher ständige Leistungskontrollen der Schüler erlauben. An diesen Prüfungen am 12./13.02.2011 und 21./22.05.2011 sowie 20./21.08.2011 habe Z teilgenommen. Die Klägerin habe ein jährliches Schulgeld i.H.v. 415 € entrichtet und Z habe, wie sich aus dem Schreiben der Fernschule ergebe, wöchentlich ca. 30 Stunden zur Vorbereitung auf die Prüfungen aufgewendet. Wenn nach Ziffer 63.3.2.1 Abs. 3 der Dienstanweisung schon der Besuch einer vergleichbaren allgemeinen oder berufsbildenden Schule im Ausland zum Kindergeld berechtige, müsse ein ausländischer Schulabschluss, welcher im Inland erworben werde, als Schulausbildung im Sinne des EStG anerkannt werden. Es reiche aus, wenn der Schüler durch den Schulabschluss im Ausland ein Weg eröffnet werde, sich für einen Beruf ausbilden zu lassen. Hingegen sei es nicht erforderlich, ob der angestrebte Schulabschluss in Deutschland anerkannt werde.
Den Prüfungsergebnissen könne entnommen werden,...