rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmereigenschaft von Mitgliedern einer Zeitschriftenwerberkolonne
Leitsatz (redaktionell)
Mitglieder einer Zeitschriftenwerberkolonne, deren Tätigkeit durch Weisungsgebundenheit, organisatorische Eingliederung, fehlende Unternehmerinitiative und fehlendes Unternehmerrisiko gekennzeichnet ist, sind nicht als selbständig anzusehen.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 38 Abs. 3, § 41a Nr. 2
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 20.10.2003; Aktenzeichen VI B 58/03) |
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin zu Recht gem. § 42d EStG als Arbeitgeberin für nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschläge in Anspruch genommen worden ist.
Die Klägerin wurde mit Vertrag vom 28.12.1990 gegründet. Alleingesellschafter und Geschäftsführer war A. X., der jetzige Liquidator. Das Stammkapital betrug 50.000 DM. Gegenstand des Unternehmens war der An- und Verkauf von Zeitungs- und Zeitschriftenabonnements und anderer Verlagsprodukte, sowie die Abonnementsverwaltung und der damit zusammenhängenden Dienstleistungen. Die Klägerin setzte Zeitschriftenwerber ein, die bei Haustürgeschäften Abonnenten warben. Die Werber erhielten pro Abonnement sogenannte Provisionszahlungen in unterschiedlicher Höhe, die in der Regel bar über die jeweiligen Kolonnenführer (Organisationsleiter) bzw. von X. selbst ausbezahlt wurden. Die Werber wurden von X. eingestellt und waren in Gruppen von 2 - 8 oder auch mehr Personen unter der Aufsicht eines Organisationsleiters tätig. Die Gesellschaft befindet sich nach abgelehntem Konkursantrag (Schriftsatz Finanzamt vom 19.08.2002) in Liquidation und ist im Handelsregister noch nicht gelöscht. Wegen der abgegebenen Lohnsteueranmeldungen wird auf die Darstellung des Finanzamts in den Einspruchsentscheidungen vom 27.11.1998 verwiesen.
Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung und Lohnsteueraußenprüfung 1995 wurden gegen A. X. und verantwortliche Organisationsleiter Strafverfahren durchgeführt (Schriftsatz Finanzamt vom 19.08.2002). A. X. wurde vom Landgericht Z, mit rechtskräftigem Urteil vom 21.07.1997 wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Wegen seiner Vorstrafen wird auf das Urteil vom 21.07.1997 Bezug genommen. Die Steuerfahndungsprüfung wurde mit einer tatsächlichen Verständigung vom 01.08.1996 bezüglich der von der Steuerfahndung festgestellten Sachverhalte und deren steuerlichen Auswirkungen abgeschlossen. Auf die Niederschrift vom 01.08.1996 sowie auf den Fahndungsbericht vom 18.10.1996 - hier vor allem die Anlage 1 über die Gesamtumsätze 1991 - 1995 - wird verwiesen.
Die Steuern wurden auch unter Berücksichtigung von Abtretungen größtenteils nicht bezahlt: Das Finanzamt erließ deshalb gem. § 69 AO gegen A. X. am 29.05.1998 einen Haftungsbescheid wegen Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlägen hierzu für 1991 - 1995 über 501.708 DM laut Einspruchsentscheidung vom 20.08.2001.
Die Lohnsteuerprüfung wurde mit Bericht vom 29.10.1996 abgeschlossen. Die Prüferin vertrat die Auffassung, dass die ca. 100 pro Jahr eingesetzten Werber aufgrund ihrer totalen Abhängigkeit von der X. GmbH bzw. von A. X. persönlich (bereitgestellte Unterkünfte, Firmenwagen, umfangreiche Kontrolle von Einsatz- und Arbeitsleistung, vorgegebene Bezahlung nach festen Sätzen je nach Leistung) als Arbeitnehmer der Klägerin zu qualifizieren seien, und abgeschlossene Handelsvertreterverträge und Gewerbeanmeldungen von Organisationsleitern unbeachtlich seien. Die Prüferin schätzte ausgehend von den festgestellten Zahlungen an die Organisationsleiter Arbeitslöhne der Werber in einer Höhe von 45 % der Bruttozahlungen, ermittelte die Steuerabzugsbeträge nach unterschiedlichen, auf der Basis der Steuerklasse 1 ermittelten Bruttosteuersätzen, erhöhte das Ergebnis 1993 und 1994 um die individuell für die Gruppen B. und C. ermittelten Lohnsteuerzahlen, versteuerte an die sog. Kontrolleure D. und E. erfolgte Zahlungen 1992 und ermittelte eine Nachzahlung von Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlägen für die Jahre 1991 - 1995 in Höhe von 851.504 DM. Wegen der teilweise im Schätzweg durchgeführten Ermittlungen und Berechnungen wird im Einzelnen auf das Exposee der Prüferin vom 18.06.1996 und den Bericht über die Lohnsteuerprüfung vom 29.10.1996 samt Anlagen verwiesen.
Das Finanzamt erließ ausgehend von den Feststellungen der Lohnsteuerprüfung und unter Verweisung auf den Prüfungsbericht am 20.11.1996 gegen die Klägerin als Arbeitgeberin der Werber einen auf § 42d EStG gestützten Haftungsbescheid wie folgt (Zahlen in DM gerundet):
|
1991 |
1992 |
1993 |
1994 |
1995 |
Summe |
|
DM |
DM |
DM |
DM |
DM |
DM |
LSt |
55.060 |
19.678 |
339.812 |
217.739 |
53.598 |
785.887 |
ev. KSt |
1.285 |
2.997 |
7.929 |
5.080 |
1.251 |
18.542 |
rk. KSt |
2.569 |
5.5031 |
5.858 |
10.161 |
2.502 |
36.593 |
Soli.Zuschl. |
2.065 |
4.397 |
---- |
---- |
4.020 |
10.482 |
Summe: |
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851.504 |
Von der Haftsumme sind noch 756.094 DM offen. Durch Forderungspfändungen 1997/98 wurden 95.410 DM (Lohnst...