Entscheidungsstichwort (Thema)
Erste Tätigkeitsstätte eines LKW-Fahrers (EStG 2014)
Leitsatz (redaktionell)
Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 EStG 2014 und bestimmt der Arbeitgeber einen Ort, von dem aus Einsatzorte aufzusuchen sind, dann werden die Fahrten des Arbeitnehmers von der Wohnung zu diesem vom Arbeitgeber festgelegten Ort gemäß wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt. Für diese ist nur die Entfernungspauschale anzusetzen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit die Fahrtkosten für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte mit der Entfernungspauschale oder nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen sind.
Der Kläger wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Im Streitjahr 2014 war er vom 01.01.2014 bis 12.05.2014 in A und vom 13.05.2014 bis 31.12.2014 in B als LKW-Fahrer zum Transport von Schüttgütern tätig. Den leeren LKW holte er arbeitstäglich am selben Betriebsstandort seines jeweiligen Arbeitgebers ab, um zu entsprechenden Ladestationen (z.B. Steinbruch) zu fahren und die Ladung zum Abladeort (z.B. Baustelle) zu transportieren.
In seiner Einkommensteuererklärung 2014 machte der Kläger bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Aufwendungen für die Fahrten zur Arbeitsstätte wie folgt geltend:
Zeitraum |
Betriebssitz Arbeitgeber |
Aufwand |
01.01.2014 bis 12.05.2014 |
A |
26 Arbeitstage x doppelte Entfernung 8 km x 0,30 € = 62,40 € |
13.05.2014 bis 31.12.2014 |
B |
161 Arbeitstage x doppelte Entfernung 28 km x 0,30 = 1.352,40 € |
Das Finanzamt folgte bei der Einkommensteuerveranlagung 2014 (Bescheid vom 05.05.2015) im wesentlichen den Angaben des Klägers in der Einkommensteuererklärung, berücksichtigte aber die beantragten Aufwendungen für die Fahrt zur Arbeitsstätte nur mit der Entfernungspauschale in Höhe von insgesamt 707,40 €.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger, vertreten durch seine Steuerberaterin, mit Schreiben vom 12.05.2015 Einspruch ein und trug zur Begründung vor, dass er nicht arbeitsvertraglich dem Betrieb seines jeweiligen Arbeitgebers zugeordnet gewesen sei. Daher sei der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte nach quantitativen Kriterien zu prüfen. Da er im Betrieb keine Tätigkeiten ausführe – es würden keine Be- und Entladetätigkeiten von Schüttgütern im Betrieb stattfinden –, liege keine erste Tätigkeitsstätte vor; die täglichen Fahrten zum Firmensitz seien daher mit den tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen.
Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos; mit Einspruchsentscheidung vom 15.09.2015 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der dagegen erhobenen Klage vom 16.10.2015 verfolgt der Kläger sein Begehren der steuerlichen Anerkennung der geltend gemachten Fahrtkosten für die täglichen Fahrten von der Wohnung zum Firmensitz nach Reisekostengrundsätzen weiter.
Zur Begründung der Klage führt die Klägervertreterin im Wesentlichen Folgendes aus:
Der Kläger sei von seinen jeweiligen Arbeitgebern arbeitsvertraglich nicht dem Betriebssitz zugeordnet worden. Demnach sei der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte nach quantitativen Kriterien zu prüfen. Es müsse also der Arbeitnehmer im Betrieb seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben. Dies sei beim Kläger als LKW-Fahrer nicht der Fall. Im Betrieb des Arbeitgebers würden überhaupt keine Tätigkeiten ausgeführt, es würden Schüttgüter transportiert, so dass auch keine Be- und Entladetätigkeiten im Betrieb angefallen seien. Der leere LKW werde von seinem Standort am Betrieb abgeholt, zur Ladestation (z.B. Steinbruch) gefahren und die Ladung zum Abladeort (z.B. Baustelle) transportiert. Wäre die Möglichkeit gegeben, den LKW zu Hause abzustellen, wären keinerlei Fahrten zur Firma notwendig. Ein Aufsuchen der Firma wäre nicht erforderlich. Ein Unterbleiben der Prüfung nach quantitativen Kriterien widerspreche jeglichem Gleichheitsgrundsatz gegenüber allen anderen Arbeitnehmern.
Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 05.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.09.2015 dahingehend abzuändern, dass bei den Werbungskosten des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weitere Aufwendungen in Höhe von 707,40 € anerkannt werden.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen, und führt hierzu im Wesentlichen Folgendes aus:
Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die täglichen Fahrten von der Wohnung zum Firmensitz könnten nur mit der Entfernungspauschale, die lediglich einen Ansatz von 0,30 € pro Entfernungskilometer zulasse, berücksichtigt werden, da der Arbeitgeber den Sitz der Firma als dauerhaften Ort der Abholung des LKW festgelegt habe. Im Streitfall gebe es zwar keine erste Tätigkeitsstätte, da die Arbeiten am Betriebssitz qualitativ und quantitativ nicht den Anforderungen an eine erste Tätigkeitsstätte entsprächen. Allerdings lägen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) für einen Sammelpunkt vor...