Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Billigkeitserlass bestandskräftig festgesetzter Steuern
Leitsatz (redaktionell)
Bestandskräftig gewordene Steuerbescheide können grundsätzlich im Billigkeitsverfahren nicht mehr auf ihre sachliche und inhaltliche Richtigkeit überprüft werden. Die Billigkeitserlass ist nicht dazu bestimmt, das schuldhafte Versäumnis eines Rechtsbehelfs oder die Folgen von Säumnissen während eines Rechtsbehelfsverfahrens auszugleichen.
Normenkette
AO § 227
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob den Klägern bestandskräftig festgesetzte Einkommensteuer für die Jahre 1988 - 1995 in Höhe von insgesamt 829.674 DM und bestandskräftig festgesetzter Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1991, 1992 und 1995 in Höhe von insgesamt 16.028 DM im Billigkeitsweg gem. § 227 AO zu erstatten sind.
Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Ehefrau erzielt als ... Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Ehemann betreibt in ... eine Zahnarztpraxis und erzielt hieraus Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Der Praxis ist ein sogenanntes Eigenlabor angegliedert. Der Ehemann ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahme- / Überschussrechnung.
Die Einkommensteuerveranlagungen für 1988 - 1995 sind endgültig und bestandskräftig.
Am 10. 3. 1998 sprachen die Kläger beim Finanzamt persönlich vor und beantragten, die in der Vergangenheit festgesetzte Einkommensteuer teilweise herabzusetzen, weil bei der Ermittlung der Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit des Ehemanns Einnahmen aus dem Zahnlabor doppelt erfasst worden seien. Das Finanzamt bestätigte den Klägern den Inhalt der mündlichen Vorsprache mit Schreiben vom selben Tag und sagte eine kurzfristige Überprüfung zu.
Mit Schreiben vom 13. 7. 1998 beantragte der Klägervertreter die teilweise Erstattung der für die Jahre 1988 - 1995 festgesetzten und bezahlten Einkommensteuer. Er begründete den Antrag mit irrtümlich doppelt erklärten Einkünften aus selbständiger Tätigkeit für die Jahre 1988 - 1995 in Höhe von insgesamt 1.874.369,70 DM. Als Sachverhalt trug er hierzu folgendes vor:
Er, der Klägervertreter, sei von den Klägern im Mai 1998 mit der Überprüfung des letzten Einkommensteuerbescheids beauftragt worden. Im Rahmen dieser Überprüfung sei festgestellt worden, dass die Einkünfte aus dem Eigenlabor in der Gewinnermittlung für 1997 doppelt erfasst worden waren. Eine daraufhin durchgeführte Überprüfung der Gewinnermittlungen zurückliegender Veranlagungszeiträume hätte ergeben, dass seit 1988 lückenlos der gleiche grundlegende Fehler gemacht worden sei, der zur doppelten Erfassung der Laborumsätze geführt habe.
Bei der Ermittlung der Einkünfte habe der Kläger die Einnahmen einzeln aufgelistet und auf Journalblättern zusammengefasst. Die Einnahmen hätten sich dabei in Einnahmen aus den Eigenanteilen der Patienten, in erhaltene Zahlungen der kassenzahnärztlichen Vereinigung sowie in die aufgelisteten Einnahmen aus dem Eigenlabor aufgegliedert.
Die in den Abrechnungen der Privatpatienten und der kassenärztlichen Vereinigung bereits enthaltenen Laborleistungen seien deswegen gesondert erfasst und ausgewiesen worden, weil die Laborleistungen mit dem ermäßigten Steuersatz der Umsatzbesteuerung unterworfen werden mussen.
Die Summe aus den Eigenleistungen der Privatpatienten, den erhaltenen Zahlungen der kassenzahnärztlichen Vereinigung sowie den Bruttoumsätzen aus dem Eigenlabor seien dann vom Steuerberater und ab dem Veranlagungszeitraum 1992 von ihm selbst als Gesamteinnahmen in die Einnahme- / Überschussrechnung übertragen worden. Im Ergebnis bedeutete dies, dass die bereits in den Abrechnungen der Privatpatienten und der kassenzahnärztlichen Vereinigung enthaltenen Laborleistungen doppelt als Einnahmen erfasst und damit auch doppelt besteuert worden seien.
Dem vom Kläger beauftragten früheren Steuerberater sei sein Fehler während der ganzen Zeit nicht aufgefallen. Auch während der vom Finanzamt für die Jahre 1993 - 1995 durchgeführten Betriebsprüfung sei der in den Gewinnermittlungen enthaltene, offensichtlich grundlegende Fehler nicht bemerkt worden. Dieser erst bei der von ihm vorgenommenen Überprüfung im Jahre 1998 bekannt gewordene Fehler könne nunmehr lediglich im Billigkeitswege gem. § 227 AO korrigiert werden. Eine Korrektur der Steuerfestsetzungen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen scheitere für die Veranlagungszeiträume 1988 - 1992 an der inzwischen eingetretenen Festsetzungsverjährung und für die Veranlagungszeiträume 1993 - 1995 an der wegen der zwischenzeitlich durchgeführten Betriebsprüfung eingetretenen Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO. Es sei dem Kläger nicht zuzumuten, eine höhere Steuerlast zu tragen, als sich bei Zugrundelegung der tatsächlichen Verhältnisse ergeben würde. Die Besteuerung der Doppelerfassung verstoße gegen fundamentale Grundsätze der Gerechtigkeit, d...