Revision eingelegt (BFH V R 44/13)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen bei fehlerhaften Angaben im CMR-Brief
Leitsatz (redaktionell)
Der Vertrauensschutz gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG bei innergemeinschaftlichen Fahrzeuglieferungen greift dann nicht, wenn der Buch- und Belegnachweis unvollständig (CMR-Frachtbrief ist nur teilweise bzw. falsch ausgefüllt) erbracht wurde und Zweifel am Vorliegen einer Geschäftsbeziehung bestehen.
Normenkette
UStG § 4 S. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 S. 1; UStDV § 17a Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen vorliegen.
Die Klägerin ist eine mit notarieller Urkunde vom 30.12.1981 gegründete GmbH. Gegenstand des Unternehmens ist die Vermittlung von Kraftfahrzeugen aller Art, der Handel mit Ersatzteilen und Zubehör, der Betrieb einer Autoreparaturwerkstätte, Vermietung und Leasing von Kraftfahrzeugen aller Art sowie alle sonstigen Geschäfte und Tätigkeiten, die mit dem Kraftfahrzeugwesen in Zusammenhang stehen. Gesellschafter der Klägerin waren im Streitjahr 2002 B zu 60 % sowie dessen Töchter C und D zu je 20 %. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer waren B, D und E. Für den kaufmännischen Bereich einschließlich Verkauf war D zuständig.
Die Umsatzsteuererklärung für 2002 wurde am 22.08.2003 beim Finanzamt eingereicht. Sie wies Lieferungen und sonstige Leistungen (16 %) in Höhe von 5.970.828 €, innergemeinschaftliche Lieferungen in Höhe von 8.847.618 € und einen Vorsteuerüberschuss von 1.129.512,20 € aus. Die Erklärung stand nach Zustimmung des Finanzamts einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§§ 168, 164 AO).
Vom 13.02.2006 bis 28.02.2006 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt, die u.a. auch die Umsatzsteuer 2001 bis 2004 umfasste (Bericht vom 28.03.2006). Für das Streitjahr 2002 erhöhte der Prüfer die unentgeltlichen Wertabgaben (§ 3 Abs.1b UStG) um 1.410 €. Mit geändertem Bescheid (§ 164 Abs. 2 AO) vom 11.07.2006 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für 2002 auf -1.129.286,60 € fest. Gleichzeitig hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf (§ 164 Abs. 3 AO).
Bereits am 11.07.2005 hatte bei der Klägerin eine Steuerfahndungsprüfung wegen innergemeinschaftlicher Lieferungen im Jahr 2002 begonnen, die bis 24.07.2008 andauerte (Bericht vom 31.07.2008). Die Steuerfahnderin stellte fest, dass die Klägerin im Streitjahr 15 Kraftfahrzeuge an die Firma I s.r.l. in Italien und ein Fahrzeug an die Firma S in Spanien für insgesamt 306.500 € brutto als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt hatte, obwohl die Voraussetzungen hierfür nach Meinung der Prüferin nicht vorlagen. Bei den drei als Nachweis für die innergemeinschaftlichen Lieferungen an die Firma I vorgelegten CMR-Briefen fehle die Bestätigung des Empfängers in Feld 20 bzw. 24, zudem sei die Klägerin in Feld 1 und 18 bzw. 22 als Absender genannt, obwohl sie die Spediteure unstreitig nicht beauftragt habe. Ermittlungen der Staatsanwaltschaften Bonn und Forli/Italien hätten außerdem ergeben, dass die als Empfängerin benannte italienische Firma I SRL über keinen eigenen Geschäftsbetrieb verfüge und es sich insoweit um ein Scheinunternehmen handle. Die Klägerin habe die Geschäfte mit Z aus (Deutschland) - nach einer ersten telefonischen Kontaktaufnahme durch einen Italiener - mittels Fax und Telefon in Deutschland abgewickelt. Die Lieferungen seien durch Sammelüberweisungen von der Bank auf Veranlassung von Z bezahlt worden. Auch hinsichtlich der Lieferung nach Spanien fehle der Verbringungsnachweis.
Die Fahnderin erhöhte die Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen in 2002 um 264.224 €. Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Steuerfahndung und setzte mit gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändertem Bescheid vom 03.11.2008 die Umsatzsteuer für 2002 auf -1.087.010,76 € fest.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurde Folgendes ermittelt:
Der Transportunternehmer T aus O (Deutschland), der laut CMR-Brief vom 26.09.2002 acht Fahrzeuge vom Hof der Klägerin abgeholt haben soll, erklärte, dass es sich bei dem CMR-Dokument zwar um ein Originalpapier handle, dieses aber weder von ihm noch von seinen Mitarbeitern ausgefüllt worden sei. Er kenne die Klägerin nicht und habe für sie auch keine Transporte durchgeführt. Seine drei LKW"s seien nicht für den Autotransport geeignet, außerdem sei er nur im Raum Tübingen und Reutlingen tätig. Er erinnere sich aber, vor dem Jahr 2002 mehrere CMR-Vordrucke blanko an befreundete Transportunternehmen weitergegeben zu haben.
Im Wege des Rechtshilfeersuchens wurden die Inhaber der italienischen Speditionsunternehmen Firma X s.r.l. und Firma Y s.n.c. vernommen. Hinsichtlich des CMR-Briefs vom 10.10.2002 (Nummer 7553) über den Transport von zwei Gebrauchtwagen nach Italien erklärte die Inhaberin der Firma X, dass es sich zwar um ein Originalformular ihrer Firma handele, sie aber keine Geschäftsbezieh...