Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines bestandskräftigen Aufhebungsbescheides
Leitsatz (redaktionell)
Ein Rechtsirrtum über die materielle Rechtslage (hier: Nichtansatz der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung bei der Ermittlung des Grenzbetrages für die Kindergeldfestsetzung) stellt keinen Wiedereinsetzungsgrund dar.
Normenkette
EStG § 70 Abs. 2-4, § 31; AO §§ 110, 110 Abs. 2 S. 2, § 155 Abs. 4, § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Voraussetzungen für die Änderung eines bestandskräftigen Aufhebungsbescheids vorliegen.
Der Beklagte beantragte für seinen Sohn S (geb. xxx.1983), der sich seit 01.02.2004 in Ausbildung zum Speditionskaufmann befand, Kindergeld. Unter Zugrundelegung der vorgelegten Ausbildungsbescheinigung prüfte die Beklagte im Rahmen einer Probeberechnung vom 06.01.2004 ob die Einkünfte und Bezüge des Kindes im Kalenderjahr 2004 und 2005 den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschreiten werden. Für das Kalenderjahr 2005 kam die Beklagte aufgrund der Prognoseberechnung zu dem Ergebnis, dass der Jahresgrenzbetrag i.H.v. 7.680 € voraussichtlich überschritten werde und somit für 2005 kein Anspruch auf Kindergeld bestehe.
Mit Bescheid vom 19.01.2004 (unzutreffende Datumsangabe 19.01.2003) - abgesandt am 21.01.2004 - bewilligte die Klägerin Kindergeld für S ab Februar 2004. In der Begründung war dazu ausgeführt: "S befindet sich laut dem vorgelegten Ausbildungsvertrag vom 01.02.2004 bis zum 31.07.2006 in der Ausbildung. Die Einkommensgrenze von 7.428 € wird im laufenden Jahr voraussichtlich nicht überschritten. Bitte legen Sie im Januar 05 zwecks endgültiger Prüfung einen Nachweis über die Höhe des tatsächlich erzielten Einkommens 04 vor. Laut der durchgeführten Prognoserechnung wird die Einkommensgrenze in 2005 voraussichtlich überschritten."
Intern hatte die Beklagte eine Befristung der Zahlung von Kindergeld für S bis Dezember 2004 gesetzt. Im Jahr 2004 wurde der Kläger mit Formularschreiben (das genaue Datum ist nicht erkennbar) darauf hingewiesen, dass die Zahlung von Kindergeld für S mit Ablauf Dezember 2004 eingestellt werde. Er wurde aufgefordert, baldmöglichst Nachweise über den Wegfall oder das Fortbestehen der Anspruchsvoraussetzungen vorzulegen.
Da der Kläger trotz der ausdrücklichen Hinweise im Bescheid vom 19.01.2004 und dem Formularschreiben aus dem Jahr 2004 keine weiteren Unterlagen eingereicht hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 17.02.2005 die Bewilligung von Kindergeld für S ab Januar 2005 auf, weil die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag voraussichtlich übersteigen werden. Der Aufhebungsbescheid wurde nicht angefochten.
Am 01.06.2005 stellte der Kläger erneut Antrag auf Bewilligung von Kindergeld für S und legte eine Verdienstabrechnung für S vom April 2005 bei. Eine daraufhin von der Beklagten durchgeführte Prognoseberechnung für 2005 unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2005, wonach vom Arbeitnehmer geleistete Sozialversicherungsbeträge bei der Grenzbetragsberechnung zu berücksichtigen sind, führte dazu, dass der Jahresgrenzbetrag nicht überschritten werde und somit für das Jahr 2005 Anspruch auf Kindergeld bestehe.
Mit Bescheiden vom 06.07.2005 bewilligte die Beklagte Kindergeld für S ab März 2005 und lehnte die Bewilligung von Kindergeld für die Monate Januar und Februar 2005 ab. Zur Begründung führte es aus, der Antrag auf Kindergeld für Januar und Februar 2005 werde aus formellen Gründen abgelehnt. Es sei keine Korrekturnorm einschlägig, die Bestandskraftwirkung des Aufhebungsbescheids vom 17.02.2005 zu durchbrechen.
Seinen Einspruch begründete der Kläger damit, der Aufhebungsbescheid vom 17.02.2005 sei rechtswidrig, weil der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung der Sozialversicherungsabgaben bei der Berechnung, ob der Jahresgrenzbetrag über- oder unterschritten sei, bereits am 11.01.2005 ergangen sei. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit seiner Klage beantragt der Kläger sinngemäß, den Ablehnungsbescheid vom 06.07.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 22.07.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für S für die Monate Januar und Februar 2005 i.H.v. jeweils 154 € monatlich zu bewilligen.
Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen im Einspruchsverfahren, insbesondere, dass er den Aufhebungsbescheid vom 17.02.2005 nicht habe anfechten können, weil die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2005 erst am 13.05.2005 bekannt gegeben worden sei und sich erst damit die Rechtswidrigkeit der Entscheidung herausgestellt habe.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, der Aufhebungsbescheid vom 17.02.2005 sei bestandskräftig. Es sei keine Änderungsvorschrift einschlägig, um die Bestandskraftwirkung des Aufhebungsbescheids zu durchbrechen. Der Rechtsanwendungsfehler führe nicht zu einer Durchbrechung der Bestandskraftwirkung. Des weiteren seien keine neuen Tatsach...