Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung der Festsetzung von Erbschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Ablauf der Festsetzungsfrist hat in Fällen des § 171 Abs. 14 AO hinter dem Interesse an einer materiell richtigen Steuerfestsetzung zurückzutreten.
Normenkette
AO § 171 Abs. 14, 3a
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Festsetzung von Erbschaftsteuer verjährt war.
I.
Der Erblasser Z verstarb am 18.07.1984, testamentarische Erben waren seine vier Kinder. Seine Ehefrau Y hatte er mit mehreren Vermächtnissen bedacht.
Der Miterbe X reichte am 18.11.1985 die Erbschaftsteuererklärung über den Erwerb von Todes wegen nach dem Erblasser Z beim Finanzamt 2 ein. Die Erklärung wies ein Vermächtnis zugunsten der Ehefrau Y in Form des Hauses in A-Stadt sowie eines Autos in Höhe von zusammen 213.075 DM aus und legte dar, dass für die Ehefrau Y ein steuerpflichtiger Erwerb aufgrund des Freibetrages von 250.000 DM nicht angefallen sei. In der Folgezeit wurden dem Finanzamt 2 Rentenansprüche der Witwe bekannt. Mit Schreiben vom 21.10.1988 kündigte es an, die Erbschaftsteuerveranlagung in vollem Umfang gemäß § 165 Abs. 1 AO vorläufig vorzunehmen, da entsprechende Angaben bisher nicht gemacht wurden, und forderte den steuerlichen Berater zur Beantwortung verschiedener Fragen auf. Im Erbschaftsteuerbescheid vom 23.11.1988 berechnete das Finanzamt - wie angekündigt - aus dem erklärten Vermächtnis des Hauses und des Autos, einer Versorgungsrente aus einer Zusage der Firma 1 mit einem Kapitalwert von 1.475.844 DM, einer Witwenrente aus der Zusage der Firma 2 mit 87.385 DM und einer privaten Veräußerungsrente lt. Schenkungsvertrag vom 25.06.1970 mit einem Kapitalwert von 3.220.136 DM einen steuerpflichtigen Erwerb von 4.996.440 DM und setzte gegenüber Y unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach §§ 16, 17 ErbStG in Höhe von jeweils 250.000 DM Erbschaftsteuer von 629.496 DM fest. Die Erläuterungen zum diesem Bescheid führen aus, dass die Steuerfestsetzung in vollem Umfang vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AO ergeht; die Steuererklärung sei bisher nur für einen Teil des Erwerbs erfolgt, eine Antwort auf das Schreiben des Finanzamts vom 21.10.1988 an den steuerlichen Vertreter liege bis zum damaligen Zeitpunkt nicht vor.
Der steuerliche Vertreter legte für Y gegen den Bescheid Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung in vollem Umfang, welche das Finanzamt 2 am 23.12.1988 gewährte. Das seit 01.01.1993 zuständige beklagte Finanzamt O reduzierte den Aussetzungsbetrag mit Bescheid vom 16.05.1997 um 277.512 DM auf 351.984 DM mit der Begründung, dass der steuerliche Vertreter mit Schreiben vom 26.02.1997 den Rechtsbehelfsantrag eingeschränkt habe. Der steuerliche Vertreter führte in seinem Schreiben vom 26.02.1997 u.a. aus, dass die private Versorgungsrente nicht der Erbschaftsteuer unterliege, sondern der entsprechende Betrag von 3.220.136 DM als Abfindung für einen Verzicht auf den Pflichtteil zu berücksichtigen sei, und reduzierte unter Hinweis hierauf lt. Schreiben vom 22.12.1998 an das Finanzamt sein Einspruchsbegehren entsprechend. In seinem Schreiben vom 23.03.1999 sprach das Finanzamt dieser Erklärung die Wirkung ab, wegen der festgesetzten Steuer zu einer teilweisen Festsetzungsverjährung zu führen. Y entrichtete die nun fällige Zahlung von 277.512 DM im Juni 1997. Nach mehrfachem Schriftwechsel erließ das Finanzamt O am 09.12.1999 einen geänderten Erbschaftsteuerbescheid, erhöhte den steuerpflichtigen Erwerb auf 11.339.600 DM und die festgesetzte Erbschaftsteuer auf 2.073.746 DM; der Bescheid erging endgültig gemäß § 165 Abs. 2 AO. Y bezahlte hierauf im Januar 2000 einen weiteren Betrag in Höhe von 129.674 DM, das beklagte Finanzamt setzte mit Bescheid vom 08.02.2000 die Vollziehung des Änderungsbescheides - wie vom steuerlichen Vertreter beantragt - neben dem bisher von der Vollziehung ausgesetzten Betrag von 351.984 DM in Höhe von weiteren 1.314.576 DM (also insgesamt 1.666.560 DM) aus. Am 28.02.2000 beantragte der steuerliche Vertreter die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheides in Höhe von nochmals 55.202 DM sowie die Rückerstattung dieses bereits entrichteten Steueranteils; dies erfolgte im Juli 2001.
Am 25.04.2002 verstarb Y, sie wurde von den Klägern in Erbengemeinschaft beerbt. Das Finanzamt setzte mit Einspruchsentscheidung gegenüber den Klägern vom 15.11.2002 die Erbschaftsteuer auf 1.849.919 DM (= 945.848,57 €) herab und hob die bislang gewährte Aussetzung der Vollziehung auf; die Kläger hatten eine Nachzahlung in Höhe von 765.882,01 € zu entrichten.
Durch die gegen die Einspruchsentscheidung eingelegte Klage reduzierte sich die Erbschaftsteuer mit Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 17.08.2006 IV 323/2002 auf 523.528,11 € (= 1.023.932 DM). Die Kläger entrichteten im Oktober 2006 den Restbetrag in Höhe von 343.561,55 €. Sie wandten sich gegen das Urteil, der Bundesfinanzhof erließ in...