rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsbescheid für Hinterziehungszinsen vom 04.02.1994
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob gegenüber dem Kläger wegen § 191 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 AO noch ein Haftungsbescheid für Hinterziehungszinsen erlassen werden konnte oder bereits Verjährung eingetreten war.
Der Kläger war bis 1983 Gesellschafter der … GmbH. Er hatte zusammen mit seinen beiden Brüdern auch die Geschäftsführung inne. Bei einer Fahndungsprüfung sowie einer Betriebsprüfung stellten die Prüfer fest, daß die Gebrüder … in den Jahren 1976 bis 1983 erhebliche verdeckte Gewinnausschüttungen erhalten hatten, die bei der GmbH körperschaftsteuerlich und umsatzsteuerlich nicht erfaßt worden waren. Das Finanzamt ging davon aus, daß der Kläger dadurch Steuerhinterziehung begangen hatte und nahm ihn nach § 71 AO für rückständige Körperschaftsteuer 1976 bis 1982, Ergänzungsabgabe zur Körperschaftsteuer 1976 und Umsatzsteuer 1979 bis 1983 i.H.v. insgesamt … DM in Haftung.
Im Klageverfahren … wurde die Haftungssumme durch rechtskräftiges Urteil vom 08.12.1992 auf … DM herabgesetzt. Ein an den Kläger als Geschäftsführer der GmbH gerichteter Zinsbescheid wurde durch Urteil vom 19.10.1993 (I 161/90) aufgehoben, da der Kläger nicht Zinsschuldner ist (§ 235 Abs. 1 AO).
Das Finanzamt erließ daraufhin nach Haftungsanhörung vom 17.12.1993 gemäß § 71 AO gegen den Kläger einen Haftungsbescheid wegen Zinsen für Körperschaftsteuer 1976–1981 (… DM), Zinsen für Ergänzungsabgabe zur Körperschaftsteuer 1976 (… DM) und Zinsen für Umsatzsteuer 1980–1983 (… DM) über insgesamt … DM. Das Finanzamt teilte dazu mit, daß die Festsetzungsfrist wegen § 191 Abs. 3 S. 2, Abs. 5 S. 2 i.V.m. § 71 AO für die Hinterziehungszinsen nicht abgelaufen sei, da es sich um Steuerhinterziehung handle. Im einzelnen wird auf den Haftungsbescheid vom 04.02.1994 verwiesen.
Der gegen den Haftungsbescheid eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 06.02.1998 zurückgewiesen.
Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, den Haftungsbescheid für Hinterziehungszinsen vom 04.02.1994 aufzuheben und für den Fall des Unterliegens die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Der Kläger hat wie folgt Stellung genommen:
Er wende sich weder gegen den Vorwurf der Steuerhinterziehung noch gegen die Höhe der dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Zinsen. Eine Inanspruchnahme gem. § 71, 191 AO komme aber wegen Verjährung nicht mehr in Betracht. Gemäß § 239 AO betrage die Festsetzungsfrist für Zinsen ein Jahr, und zwar auch in den Fällen des § 235 AO. Diese Frist sei bereits weit mehr als ein Jahr überschritten, weil die der Zinsfestsetzung zugrundeliegenden Steuerbescheide von der Fa. GmbH nicht angefochten und deshalb bereits 1986 unanfechtbar geworden seien.
Nach § 191 Abs. 5 AO könne ein Haftungsbescheid nicht mehr erlassen werden, weil auch ein Zinsbescheid gegenüber der früheren Fa. … wegen der kurzen Verjährungsfrist des § 239 AO nicht mehr ergehen könnte. Die in § 191 Abs. 5 Satz 2 AO normierte Einschränkung der Akzessorietät bei Steuerhinterziehung sei im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, weil sich die Steuerhinterziehung nur auf die Hauptschuld beziehen könne, nicht aber auf die dadurch erst ausgelösten Hinterziehungszinsen. Der Beklagte verkenne, daß § 191 AO für steuerliche Nebenleistungen an sich gar nicht gelte. Erst über § 239 AO, der die Vorschriften über Steuern für entsprechend anwendbar erkläre, werde die Haftungsinanspruchnahme wegen Zinsen ermöglicht. Dort sei die Festsetzungsfrist jedoch explizit und abweichend von den sonstigen Festsetzungsfristen geregelt. Wenn § 239 AO auf § 191 AO verweise und damit erst in Kraft setze, sei es sachfremd anzunehmen, § 191 AO gewänne trotz § 239 AO ein Eigenleben. Die Vorschrift des § 239 AO sei vielmehr lex specialis gegenüber § 191 Abs. 3 S. 2 AO. In § 239 AO sei abschließend die Festsetzungsfrist für Zinsen geregelt, auch soweit es um die Haftung für Hinterziehungszinsen gehe.
Folge man der Auffassung des Finanzamts, ergebe sich ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz –GG–, da dann im Fall der Steuerhinterziehung der Steuerschuldner nur binnen eines Jahres, der Haftungsschuldner jedoch zehn Jahre in Anspruch genommen werden könnte. Das Tatunrecht des Haftungsschuldners wirke nicht schwerer als das des Steuerschuldners. Vielmehr habe der Haftungsschuldner nicht für sich selbst, sondern für einen anderen die Steuern hinterzogen.
Zumindest müsse im Rahmen der Ermessensentscheidung die unterschiedliche Behandlung zwischen Steuer- und Haftungsschuldner i. S. einer Reduzierung der Verjährungsfrist auf ein Jahr berücksichtigt werden.
Folge man hingegen der Auffassung des Finanzamts, so käme für den Beginn der Festsetzungsfrist nicht § 239 Abs. 1 Nr. 3 AO zur Anwendung, sondern § 170 AO. In diesem Fall sei die Festsetzungsfrist bis auf die Umsatzsteuer 1982 und 19...