Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des GmbH-Geschäftsführers für nicht abgeführte Lohnsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Ein GmbH-Geschäftsführer verstößt grob fahrlässig gegen seine steuerlichen Pflichten, insbesondere der Zahlungspflicht (§ 224 AO), wenn er die Ausführung von auf seine Mitarbeiter übertragene Aufgaben im Krisenfall nicht sorgfältig überwacht.
Normenkette
AO § 69 S. 1, § 34 Abs. 1, § 191 Abs. 1 S. 1; EStG § 41a Abs. 1, § 42d; GmbHG § 35
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Lohnsteuerhaftungsbescheids vom 12.05.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.08.2003.
Der verheiratete Kläger (geb. 30.4.1943), ein Sanitär-Heizungsmeister, war seit 21 .6.1977 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und - zusammen mit seiner Ehefrau - Gesellschafter (Kläger 95 %, Ehefrau 5 %) der "X GmbH" (Betriebsgesellschaft). Der Sohn des Klägers hatte Einzelprokura. Das Betriebsgrundstück, die Betriebsräume und nahezu das gesamte sonstige Anlagevermögen hatte die GmbH vom Kläger gepachtet. Die Ehefrau war als kaufmännische Mitarbeiterin der GmbH nichtselbständig tätig.
Die GmbH erzielte im Jahr 1998 bei einem Umsatz von rund 6 Mio. DM noch einen Gewinn im operativen Bereich in Höhe von rd. 200.000 DM. 1999 und 2000 erlitt die GmbH Verluste. Der Pachtzins für das Betriebsgrundstück und das Anlagevermögen wurde letztmals im Herbst 2000 gezahlt. Danach überließ der Kläger der GmbH das Betriebsvermögen unentgeltlich. Die GmbH hatte ab Oktober 2000 Zahlungsschwierigkeiten und - wie ein Unternehmensberater feststellte - erhebliche Finanzierungsdefizite. Eine Analyse der laufenden Großbaustellen Ende 2000/Anfang 2001 zeigte, dass viele Bauvorhaben nicht kostendeckend kalkuliert waren. Die letzte Lohnzahlung an die rund 60 Mitarbeiter erfolgte am 10.1.2001 für Dezember 2000. Die Lohnsteuer für Oktober bis Dezember 2000 wurde nicht an das Finanzamt abgeführt.
Mit Bescheiden vom 22.1.2001 schätzte der Beklagte die Lohnsteuer für Oktober und November 2000.Ab Ende Januar 2001 lieferten die Lieferanten nur noch gegen Vorkasse. Im Februar/März 2001 hatte die GmbH bei der Sparkasse rund 2,5 Mio. DM Schulden, die z. T. über Grundschulden auf Grundstücken der "Firma X" und der Ehefrau abgesichert waren. Außerdem hatten der Kläger und seine Ehefrau Bürgschaften übernommen und Teile ihres Privatvermögens an die Bank verpfändet.
Im Februar 2001 firmierte der Kläger die "X GmbH" in "Y GmbH" um. Der Kläger blieb Geschäftsführer. Zeitgleich wurde ein "GmbH-Mantel" gekauft und in "X1 GmbH" umbenannt. Geschäftsführer der neuen GmbH war wieder der Kläger, Alleingesellschafter wurde sein Sohn. Die "X1 GmbH" übernahm mit Wirkung vom 15.2.2001 etwa 35 Mitarbeiter sowie gegen Entgelt den Geschäftsbetrieb der "Y GmbH" unter Ausschluss der Haftung für Altverbindlichkeiten nach § 25 HGB. Von den Aufträgen der Y GmbH übernahm die neue X1 GmbH diejenigen, die kostendeckend zu Ende geführt werden konnten. Ziel der Maßnahmen war es, zumindest einen Teil des Unternehmens und der Arbeitsplätze zu retten sowie eine Verwertung des Vermögens der Eheleute durch die Sparkasse zu vermeiden.
Am 9.2.2001 gingen die Lohnsteueranmeldungen der "Y GmbH" für Oktober bis Dezember 2000 beim Beklagten ein. Für Oktober 2000 erklärte die GmbH Lohnsteuern (einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchenlohnsteuer) in Höhe von 35.873,29 DM, für November 2000 in Höhe von 36.056,22 DM und für Dezember 2000 in Höhe von 37.122,87 DM; das sind zusammen 109.052,38 DM bzw. 55.757,59 Euro . Für Oktober 2000 und November 2000 teilte der Beklagte der GmbH am 26.2.2001 mit, dass die Schätzbescheide vom 22.1.2001 durch die Lohnsteueranmeldungen ersetzt worden seien.
Am 21.3.2001 wurde über das Vermögen der "Y GmbH" das Insolvenzverfahren ein-geleitet und am 22.5.2001 eröffnet. Der Beklagte fiel mit dem Einzug der Lohnsteuerrückstände für Oktober bis Dezember 2000 in Höhe von 55.757,59 Euro aus.
Am 12.5.2003 erließ der Beklagte nach Anhörung des Klägers einen Haftungsbescheid gemäß §§ 69, 191 AO, in dem er den Kläger für Lohnsteuerrückstände (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchenlohnsteuer) der "Y GmbH" in Höhe von 55.757,59 Euro in Anspruch nahm.Am 16.5.2003 legte der Kläger gegen diesen Bescheid erfolglos Einspruch ein (Einspruchsentscheidung vom 1.8.2003 ).
Am 02.09.2003 hat der Kläger Klage erhoben.
Er meint, er hafte nicht für die Lohnsteuerschulden der insolventen GmbH. Da für die Abwicklung der steuerlichen Angelegenheiten seine Ehefrau und die übrigen Mitarbeiter der Buchhaltung verantwortlich gewesen seien, habe er es nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassen, für den Einbehalt der Lohnsteuer und die Abführung der entsprechenden Einbehalte an die Finanzverwaltung zu sorgen. Er sei da-von ausgegangen, dass die Lohnsteuern zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten abgeführt worden seien. Er habe sich sogar davon überzeugt, das...