Entscheidungsstichwort (Thema)
Architekt: Häusliches Arbeitszimmer als Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung
Leitsatz (redaktionell)
Bei einem Architekten stellt das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit dar, wenn er dort den wesentlichen Teil seines Honorars verdient.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 3, § 18 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Streitig ist noch, ob das häusliche Arbeitszimmer der berufliche Mittelpunkt der Klägerin ist.
Die ledige Klägerin erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Architektin.
In ihrem häuslichen Arbeitszimmer erstellt sie Pläne für Wohnhäuser und betreut dann deren Errichtung an diversen Baustellen.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1995 bis 1997 machte sie die Aufwendungen für das Arbeitszimmer als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer erklärungsgemäß und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.
Nach einer 1989 durchgeführten Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, daß die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nur in Höhe von 2.400 DM angesetzt werden könnten. Dementsprechend änderte das Finanzamt gem. § 164 Abs. 2 AO die Einkommensteuerveranlagungen und setzte mit Änderungsbescheiden vom 3. 1. 2000 die Einkommensteuer fest:
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1996 |
1997 |
Einkommensteuer |
13.974 DM |
11.221 DM |
Den Einspruch der Klägerin wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 20. 6. 2000 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben und im wesentlichen vorgetragen:
Das Berufsbild einer Architektin werde durch eine Vielzahl verschiedener Tätigkeiten bestimmt, wie dem Erstellen von Plänen, Gespräche mit Handwerkern und Bauherren, sowie Baubetreuung und Bauaufsicht. Das wesentliche Merkmal ihrer Tätigkeit als Architektin sei aber die Erstellung von Plänen, die im Arbeitszimmer stattfinde, und nicht die Baubetreuung auf der Baustelle. Dies spiegele sich in der Gebührenordnung für Architekten (HOAI) wider, die bei einer einheitlichen Baumaßnahme für die Planung rd. 2/3 und die Bauaufsicht nur rd. 1/3 des Honorars vorsehe. Die umfangreiche Reisetätigkeit zur Baubetreuung und Bauaufsicht stelle dagegen nur eine Nebentätigkeit dar. Die Arbeiten im Arbeitszimmer würden auch an den Wochenenden erledigt, so dass von insgesamt 300 Arbeitstagen jährlich auszugehen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Einkommensteuerbescheide vom 3. 1. 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. 6. 2000 dahingehend zu ändern, dass weitere Kosten für das Arbeitszimmer i. H. v. 2.087 DM für 1996 und 3.016 DM für 1997 zugrundegelegt werden.
Das Finanzamt hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat im wesentlichen unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung ausgeführt:
Für die Entscheidung, ob ein häusliches Arbeitszimmer den Mittelpunkt einer beruflichen Tätigkeit bilde, sei auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen. Dies müsse durch eine qualitativ-quantitative Beurteilung der Tätigkeit erfolgen. Im Streitfall sei die quantitative Komponente aufgrund der Reisekostenabrechnung der Klägerin zu ermitteln; sie habe 1996 35 % und 1997 53 % der Arbeitstage außerhalb des Arbeitszimmers verbracht. Auch die qualitative Bewertung ihrer Tätigkeit führe dazu, daß bei der Klägerin die Baubetreuung und Bauaufsicht einen Schwerpunkt ihrer Betätigung darstellten. Aus der Gesamtbetrachtung ergebe sich, daß das Arbeitszimmer nicht den beruflichen Mittelpunkt bilde.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Akten des Finanzamts, insbesondere den BP-Bericht vom 1. 9. 1999 (Tz. 1.2 d, j) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg. Das Finanzamt hat zu Unrecht die Aufwendungen für das Arbeitszimmer der Klägerin nur beschränkt auf 2.400 DM als Werbungskosten berücksichtigt.
- Zu den Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören auch Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, das so gut wie ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt wird (§ 4 Abs. 4 EStG). Die Aufwendungen sind nicht begrenzt, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht und das Arbeitszimmer denMittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Nr. 6 b i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Das Tatbestandsmerkmal „Mittelpunkt“ kann nach räumlichen und zeitlichen Kriterien oder nach der Bedeutung der an verschiedenen Orten ausgeübten Tätigkeit definiert werden. Entscheidend ist dasGesamtbild der beruflichen Betätigung in Bezug auf das Arbeitszimmer (vgl. auch für angestellten Vertriebsleiter Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 9. 11. 1999 Az. 2 K 2791/98, Revision eingelegt, Az. BFH VI R 57/00)
Im Streitfall ist das Arbeitszimmer der Klägerin derMittelpunkt ihrer gesamten beruflichen Betätigung, weil sie dort den wesentlichen Teil ihres Honorars verdient. In ihrem Arbeitszimmer fertigt sie individuelle Pläne für ihre Kunden, die sie anschließend beim Bau vor Ort betreut (vgl. Urteil des FG Köln vom 26. 6. 2000, Az. 10 K 965/00, EFG 2000, 1054).
Plant und realisiert ein Architekt ein Wohnhaus, so wird nach der HOAI (Anlage zu § 15 ...