Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigungspflicht des Vorsteuerabzugs aus Anzahlungen des Leistungsempfängers bei Insolvenz des zur Leistung verpflichteten Unternehmers
Leitsatz (amtlich)
Der Leistungsempfänger ist zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus Anzahlungen auch dann verpflichtet, wenn die Leistungen nicht ausgeführt und wegen der Insolvenz des Leistungsverpflichteten die Anzahlungen nicht zurückgezahlt wurden. Der Rückforderungsanspruch der Finanzbehörde ist nicht von der Rückzahlung des Entgelts bzw. der Anzahlung abhängig. Die Regelung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht oder die Grundsätze der Mehrwertsteuerrichtlinie.
Normenkette
UStG 1999 § 17 Abs. 2 Nr. 2; EWGRL 388/77 Art. 20 Abs. 1 lit. b
Tatbestand
Streitig ist die Berichtigung des Vorsteuerabzugs im Hinblick auf die Änderung der Bemessungsgrundlage wegen nicht ausgeführter Lieferungen und Leistungen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 UStG 1999).
Die Klägerin betreibt die Verwaltung und Vermietung von Immobilien in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. Sie erwarb mit notariellem Vertrag vom 06.05.1998 eine Teileigentumseinheit in dem Objekt a in B von der Firma C, wobei auf die Umsatzsteuerfreiheit verzichtet wurde. Die Teileigentumseinheit sollte vollständig zur umsatzsteuerpflichtigen Vermietung genutzt werden. Der Kaufpreis betrug 50.164.721,86 DM zuzüglich 16% gesetzl. Mehrwertsteuer in Höhe von 8.026.355,50 DM. Die C war verpflichtet, das Grundstück zu bebauen und der Klägerin das Eigentum an der jeweiligen Teileigentumseinheit zu verschaffen. Die Eigentumsumschreibung sollte erst nach vollständiger Kaufpreiszahlung einschließlich Mehrwertsteuer erfolgen (vgl. § 15 Nr. 3 Kaufvertrag vom 06.05.1998). Der Kaufpreis war nach den ursprünglichen Verträgen nach Baufortschritt gemäß den Regelungen der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) zu zahlen (vgl. § 4 Nr. 6 Kaufvertrag vom 06.05.1998). Nachträglich wurden in dem notariellen Änderungsvertrag vom 29.09.1999 monatliche Ratenzahlungen ohne Rücksicht auf den Baufortschritt und unabhängig von der MaBV vereinbart. Eine Sicherheit für die Anzahlungen war nicht vorgesehen. Von dem gesamten Kaufpreis wurden etwa 16 Mio. € an die C bezahlt; der Mehrwertsteueranteil des Kaufpreises wurde dadurch entrichtet, dass die Klägerin ihre Vorsteuererstattungsansprüche an die C abgetreten hatte.
Die C erfüllte ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Klägerin nicht. Am 23.12.2002 beantragte sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Schreiben vom 14.03.2003 erklärte die Klägerin ihren Rücktritt von dem gesamten Kaufvertrag (vgl. § 13 Nr. 2 u. 3 Kaufvertrag vom 06.05.1998). Die von ihr geleisteten Anzahlungen wurden nicht zurückbezahlt.
In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2003 vom 10.03.2005, die mit dem Tag des Eingangs beim Finanzamt (1 7.03.2005) als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 AO) wirkte, gab sie steuerpflichtige Umsätze zu 16 % in Höhe von 27.961.698 €, abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 728.841,11 € und eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG in Höhe von 2.559.113 € an. Die so berechnete Umsatzsteuer betrug 6.304.143,78 €.
Mit ihrem fristgerecht eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, dass die aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 17 UStG veranlasste Vorsteuerberichtigung in ihrem Falle zu einem ungerechten Ergebnis führe. Denn sie habe die Anzahlungen von rd. 16 Mio. € zuzüglich Umsatzsteuer aufwenden müssen und falle wegen der Insolvenz der C mit ihrer Rückforderung fast vollständig aus. Ihre Verpflichtung zur Rückzahlung der Vorsteuerbeträge widerspreche daher dem Neutralitätsgrundsatz der 6. EG-RL. Das Finanzamt wies den Einspruch in der Entscheidung vom 14.12.2005 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt, die Umsatzsteuererklärung 2003 vom 17.03.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2005 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer in Höhe von 3.745.030,78 € festgesetzt wird.
Zur Begründung macht sie Folgendes geltend:
Es sei ihr bewusst, dass sie bei wortgenauer Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG den Vorsteuerabzug zu berichtigen und die abgezogenen Vorsteuerbeträge an das Finanzamt zurückzuzahlen habe.
Im Wege der teleologischen und richtlinienkonformen Auslegung des § 17 UStG habe sie aber den geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den Anzahlungen nicht zu berichtigen. Denn die wortgenaue Anwendung der Norm führe zu ihrer einseitigen Benachteiligung. Sie habe die Vorsteuer zurückzuzahlen, ohne dass ihr die vorab gezahlten Kaufpreisraten zurückerstattet würden. Im Ergebnis habe sie die Umsatzsteuerrückforderung des Insolvenzverwalters der C zu finanzieren und dies, obwohl sie ihren Rückforderungsanspruch hinsichtlich der geleisteten Bruttoanzahlungen aufgrund der zu erwartenden Befriedigungsquote im Insolvenzverfahren nicht realisieren könne. Nach der intendierten und durchgeführten Vertragsgestaltung seien die Vorsteuererstattungsansprü...