Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerpflicht für Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG muss zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.

2. a) Nach § 4 Nr. 9 Buchstabe b Satz 1 UStG a. F. waren in der Zeit vom 01.01.2006 bis 05.05.2006 die Umsätze steuerfrei, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, sowie die Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken.

b) Seit dem 06.05.2006 sind nach § 4 Nr. 9 Buchstabe b Satz 1 UStG nur noch die Umsätze steuerfrei, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen.

3. Der EuGH und der BFH haben entschieden, dass § 4 Nr. 9 Buchstabe b UStG in der Fassung ab 06.05.2006 mit Unionsrecht vereinbar ist und dass bei Glücksspielen mit Geldeinsatz Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i MwStSysRL dahingehend auszulegen ist, dass es den Mitgliedstaaten in Ausübung ihrer Befugnis, Bedingungen und Beschränkungen für die in dieser Bestimmung vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung festzulegen, gestattet ist, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von dieser Steuer zu befreien (BFH- Urteil vom 11.12.2019 XI R 13/18, BStBl II 2020, 296, Rz 54 m.w.N.; u.a. EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12 "Metropol Spielstätten", UR 2013, 866; BFH-Beschluss vom 04.01.2023 XI B 51/22, BFH/NV 2023, 279).

 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 9 Buchst. b, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 2; MwStSystRL Art. 135 Abs. 1 Buchst. i

 

Tatbestand

Streitig ist die Umsatzsteuerpflicht der Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten.

Die Klägerin betreibt Geldspielgeräte mit Gewinnchancen und ein Internetcafe.

Die Klägerin reichte bei dem Beklagten Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2006 bis 2019 ein und deklarierte ihre Umsätze aus dem Betrieb der Geldspielgeräte als umsatzsteuerpflichtig.

Gegen die Steuerfestsetzung gemäß § 168 Satz 1 Abgabenordnung (AO) vom 24.01.2008 für 2006 legte die Klägerin am 25.02.2008 Einspruch ein, gegen den Bescheid vom 01.02.2010 für 2007 am 03.02.2010, gegen die Steuerfestsetzung gemäß § 168 Satz 1 AO vom 01.02.2010 für 2008 am 01.02.2010, gegen die Änderungsbescheide der Jahre 2010 bis 2011 nach Betriebsprüfung vom 01.09.2015 am 18.09.2015, gegen die Steuerfestsetzung gemäß § 168 Satz 1 AO vom 24.01.2014 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 01.09.2015 für 2012 am 24.01.2014, gegen die Steuerfestsetzungen gemäß § 168 Satz 1 AO vom 11.12.2014 für 2013 am 11.12.2014, vom 03.12.2015 für 2014 am 03.12.2015, vom 30.11.2016 für 2015 am 30.11.2016, vom 22.06.2017 für 2016 am 22.06.2017, vom 22.11.2018 für 2017 am 22.11.2018, vom 05.12.2019 für 2018 am 05.12.2019 und vom 29.09.2020 für 2019 am 29.09.2020.

In den Streitjahren wurde die Umsatzsteuer -wie folgt- festgesetzt:

2006

2007

2008

2010

2011

2012

2013

Festgesetzte Steuer in Bescheiden

80.756,05 €

151.275,03 €

68.933,51 €

115.497,54 €

76.009,47 €

90.034,77 €

84.892,65 €

2014

2015

2016

2017

2018

2019

Festgesetzte Steuer in Bescheiden

139.338,29 €

186.527,46 €

158.009,04 €

151.424,05 €

108.900,31 €

109.828,71 €

Mit ihren Einsprüchen wendete sich die Klägerin unter Hinweis auf die zu § 4 Nr. 9 b Umsatzsteuergesetz (UStG) anhängigen Verfahren beim BFH.

Die gegen sämtliche Einspruchsverfahren beantragte und gewährte Verfahrensruhe gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO wurde mit Schreiben vom 21.07.2020 durch den Beklagten beendet.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12.10.2020 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Er begründete dies damit, dass der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 11.12.2019 erneut bekräftigt habe, dass gegen die Umsatzbesteuerung von Glücksspielumsätzen keine Bedenken bestünden (BFH-Urteil vom 11.12.2019 XI R 13/18, BStBl II 2020, 296).

Zudem nahm der Beklagte Bezug auf die gegen das Urteil des BFH vom 11.12.2019 erhobenen Anhörungsrügen, die gleichermaßen als unbegründet zurückgewiesen wurden (BFH-Beschlüsse vom 30.06.2020 XI S 11/20, BFH/NV 2021, 26; vom 29.07.2020 XI S 8/20, BFH/NV 2021, 34).

Der Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 AO wurde für 2006 am 06.02.2009, für 2010 bis 2012 am 01.09.2015 und für 2007, 2008 und 2013 bis 2015 mit der Einspruchsentscheidung vom 12.10.2020 aufgehoben.

Die Klägerin hat gegen die Einspruchsentscheidung vom 12.10.2020 am 04.11.2020 Klage erhoben.

Die Klägerin trägt zur Begründung der Klage vor:

Bei ihr würde die Höhe der Kasseneinnahmen erst im Nachhinein feststehen und diese seien nicht vorhersehbar, da sie dem der Kasse im Nachhinein entnommenen Geldbetrag entsprechen würden. Damit fehle es an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung (Zurverfügungstellung der Geräte unter Einräumung einer Gewinn...

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