Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH XI B 146/12)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch auf Kindergeld für minderjährige Kinder ausländischer Herkunft, die dauerhaft bei Verwandten im Ausland zum Zweck eines Schulbesuchs untergebracht sind
Leitsatz (redaktionell)
Eine vorübergehende räumliche Trennung vom Wohnort steht der Beibehaltung des Wohnsitzes nicht entgegen, sie muss noch keine Verlagerung des Schwerpunkts der Lebensverhältnisse an den Ort der Ausbildung mit sich bringen.
Dient der Auslandsaufenthalt ausschließlich der Schulausbildung und ist er deshalb von vornherein zeitlich beschränkt und hat der Betroffene die Absicht, nach Abschluss der Maßnahme wieder an den bisherigen Wohnort oder die elterliche Wohnung zurückzukehren, reicht dies allein jedoch nicht dafür aus, um vom Fortbestand des bisherigen Wohnsitzes während des Auslandsaufenthalts auszugehen. Die Rückkehrabsicht sagt grundsätzlich nichts darüber aus, ob der Inlandswohnsitz während des vorübergehenden Auslandsaufenthalts beibehalten oder aber aufgegeben und nach der Rückkehr neu begründet wird.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AO §§ 8-9
Tatbestand
Streitig sind die Aufhebung des Kindergelds ab Oktober 2009 und die Rückforderung des gezahlten Kindergelds für die Zeit von Oktober 2009 bis Dezember 2010 für die drei Kinder des Klägers während ihres Schulbesuchs in der Türkei.
Der Kläger hat nach den Angaben in seinen Anträgen auf Kindergeld zumindest seit 2005 die deutsche Staatsangehörigkeit, seine Ehefrau ist türkische Staatsangehörige, seine Kinder X (geb. 14.05.2000), Y (geb. 11.03.2002) und Z (geb. 10.10.2003) haben die deutsche Staatsangehörigkeit.
Auf eine Anfrage der Familienkasse, die durch eine Mitteilung des Einwohnermeldeamts veranlasst worden war, teilte der Kläger der Familienkasse im Januar 2011 mit, dass seine Kinder zurzeit die Schule in der Türkei besuchen; Grund dafür seien schlechte Zeugnisse und er sehe dies als eine Vorbereitung für eine weitere Bildung in Deutschland. In einer formularmäßigen Antwort vom 04.02.2011 auf eine Anfrage der Familienkasse gab der Kläger für seine drei Söhne an, dass diese seit Oktober 2009 in der Türkei bei ihrem Opa lebten, sich voraussichtlich bis zur 5. Klasse 2012 dort aufhielten, der Wohnsitz der Kinder im Inland durch den Auslandsaufenthalt vollständig aufgegeben sei und die Kinder sich in den Schulferien für etwa 2 bis 4 Wochen bei ihm in Deutschland aufhielten.
Laut Bestätigung der Meldebehörde wurden die drei Söhne des Klägers am 21.01.2011 in seiner Wohnung in 1 angemeldet. Die Meldebehörde forderte den Kläger allerdings mit Schreiben vom 25.02.2011 zur Erfüllung der Meldepflicht auf, weil ihr bekannt sei, dass seine Frau und die Kinder bereits am 14.02.2011 in die Türkei ausgereist seien und die Kinder dort zur Schule gingen.
Mit Bescheiden vom 22.02.2011 hob die Familienkasse für jeden der drei Söhne des Klägers jeweils ab Oktober 2009 die Festsetzungen des Kindergelds auf und forderte jeweils das überzahlte Kindergeld für Oktober 2009 bis Dezember 2010 in Höhe von je 3.165 € bzw. von 2.790 € für X zurück.
Der Kläger erhob gegen die Bescheide zur Niederschrift bei der Familienkasse Einspruch und trug dazu vor, dass seine Kinder seit Oktober 2009 in der Türkei zur Schule gingen, dort mit ihrer Mutter bei den Großeltern lebten, er weiterhin für ihren Unterhalt aufkomme und die Kinder jedes Mal die Ferien in Deutschland (2-mal im Jahr) verbrächten; sie seien dabei immer mit dem Flugzeug gekommen. Der Kläger legte dazu Flugkarten über einen Flug seiner drei Kinder und ihrer Mutter am 21.01.2011 nach München vor. Mit Entscheidung vom 29.03.2011 wies die Familienkasse die Einsprüche als unbegründet zurück.
Der Kläger – vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten – hat dagegen Klage erhoben. Er beantragt, die Bescheide vom 22.02.2011 wegen Aufhebung und Rückforderung des Kindergelds für seine drei Söhne sowie die Einspruchsentscheidung dazu vom 29.03.2011 aufzuheben.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen:
Der Kläger und seine Kinder hätten allesamt die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Kinder hätten zwar im melderechtlichen Sinn ihren Wohnsitz nicht mehr in Deutschland. Dies habe jedoch lediglich melderechtliche Gründe, da der Kläger von der Meldebehörde zur Abmeldung aufgefordert worden sei, wenn sich seine Kinder am Ende der Schulferien wieder zum Schulbesuch in die Türkei begeben hätten. Der Schulbesuch in der Türkei habe nicht dazu gedient, die Kinder an den heimatlichen Kulturkreis zu binden, um dort eine Berufsausbildung zu machen oder eine Beschäftigung zu finden. Vielmehr habe die Schulausbildung in der Türkei nur vorübergehenden Charakter gehabt und lediglich dazu gedient, Ausbildungsabschnitte nachzuholen, um die Schulausbildung in Deutschland fortzusetzen, und damit der älteste Sohn hier eine weiterführende Schule besuchen könne. Seit Ende des Jahres 2011 seien die Kinder wieder in Deutschland eingeschult und hier gemeldet. Der Aufenth...