Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuschätzung von Kasseneinnahmen von Videokabinen und des Erotikkinos eines Erotikmarktes
Leitsatz (redaktionell)
Werden die Kassenbehälter von Videokabinen und des Erotikkinos eines Erotikkinos nicht täglich, sondern nur in unregelmäßigen Abständen geleert, dabei die Überwachungskameras verhängt, das entnommene Geld nicht sofort gezählt und verbucht und in unregelmä0ßigen Abständen auf ein Bankkonto eingezahlt, und mit wohl in der Zwischenzeit in bar getätigten " Ausgaben" zu den erfassten und erklärten Einnahmen hochgerechnet, erscheint eine Hinzuschätzung in Höhe von 10 % der erklärten Einnahmen aus diesem Bereich sachgerecht, wirtschaftlich vernünftig, plausibel, nach Auffassung des Senats sogar eher zu niedrig.
Normenkette
AO § 162 Abs. 1 S. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2b
Tatbestand
Streitig ist nur noch die Rechtmäßigkeit der Höhe von Zuschätzungen ("Unsicherheitszuschlägen") aufgrund einer Betriebsprüfung.
Der Kläger erzielte in den Streitjahren aus dem Betrieb mehrerer Erotikmärkte in verschiedenen Städten, darunter auch X, Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die einzelnen Märkte wurden getrennt voneinander geführt und stellten jeweils einen eigenen Gewerbebetrieb dar. Sie waren jeweils untergliedert in einen Verkaufsbereich u.a. für Erotikartikel sowie einen Bereich mit Videokabinen und Erotikkino. Die Einnahmen aus dem Verkaufsbereich wurden vom Fremdpersonal in eine Registrierkasse eingegeben, die Tageseinnahmen mittels Tagesendsummenbons festgehalten. Die Kassenautomaten der Bereiche Kino und Videokabinen wurden dagegen vom Kläger selbst in unregelmäßigen Abständen (maximal einmal die Woche) geleert.
Den Gewinn ermittelte der Kläger jeweils nach § 5 i.V.m.§ 4 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) durch Betriebsvermögensvergleich.
Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für den Erotikmarkt in X stellte das Finanzamt X unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach§ 180 Abs. 1 Nr. 2b Abgabenordnung (AO) zunächst erklärungsgemäß gesondert fest:
|
2008 |
2009 |
2010 |
Bescheid vom |
12.10.2009 |
11.08.2010 |
28.10.2011 |
Einkünfte aus Gewerbebetrieb |
2.673,37 € |
./. 24.415,17 € |
./. 22.078,05 € |
In der Zeit vom 03.12.2012 bis zum 23.04.2014 fand beim Kläger für den Betrieb in X durch das Finanzamt Y eine Betriebsprüfung betreffend die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2008 bis 2010, die Gewerbesteuer 2008 bis 2010 und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.2008, 2009, 2010 und 2011 statt, die mit Bericht vom 29.07.2014 abgeschlossen wurde.
Die einzelnen Prüfungsfeststellungen ergeben sich aus der Anlage 4 zum Betriebsprüfungsbericht, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Danach verfügte der geprüfte Betrieb neben der Kasse für den Verkaufsbereich über Geldeinwurfautomaten im Kabinen- und Kinobereich. Der Prüfer bemängelte unter Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 28.03.2013 (4 K 26/11), dass die Grundaufzeichnungen nicht getrennt für jede Kabine und auch nicht getrennt nach Kabinen- und Kinoerlösen geführt worden seien. Auch lägen für die Einnahmen aus dem Kabinen- und Kinobereich keine Kassenberichte vor. Eigenbelege für Entnahmen seien nicht gefertigt worden. Die Kassensturzfähigkeit sei damit zu keiner Zeit gegeben gewesen. Die Einnahmen aus den Kabinen seien weder täglich noch zeitnah ermittelt worden. Im Schnitt seien die Automaten alle 18 Tage geleert worden; der maximale Abstand zwischen zwei Leerungen habe sogar 32 Tage betragen. Der Prüfer hielt einen Zeitraum von einer Woche noch für "zeitnah", der Steuerberater hielt diese Grenze für willkürlich.
Wiederholt seien zwei verschiedene Kassenblätter für denselben Monat vorgelegt worden (Anl. 4 Tz. 2.a)). Vor allem im Jahr 2010 fehle teilweise auch das Datum der Leerung in den Kassenbüchern. Die Verbuchung sei regelmäßig erst mit dem letzten Tag des Monats erfolgt.
Die Bareinnahmen seien nicht täglich aufgezeichnet worden. Zum Teil seien mehrere Leerungen im Tresor angesammelt, das Geld dann in einer Summe auf der Bank eingezahlt und damit erstmals als Erlös aufgezeichnet worden (Anl. 4 Tz. 2.c)). Der Prüfer habe insgesamt 8 Monate festgestellt, an denen die zeitliche Differenz zwischen Leerung und Einzahlung mindestens 5 Tage, maximal 24 Tage betragen habe. Diese Praxis verstoße gegen § 146 AO.
Auch aus der unregelmäßigen Höhe der erklärten Einnahmen ergäben sich Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der erklärten Erlöse (Anl. 4 Tz. 3). So seien am 23.03.2009 für 12 Tage Erlöse i.H.v. 5.650 € [ca. 470 €/Tag] erklärt worden, acht Tage später für die dazwischenliegenden Tage aber Erlöse i.H.v. 8.210 € [ca. 1.026 €/Tag]. Am 23.11.2009 seien für 24 Tage Erlöse i.H.v. 12.480 € [520 €/Tag] erklärt worden, am 28.11.2009 für die dazwischenliegenden 5 Tage aber Erlöse i.H.v. 12.480 € [2.496 €/Tag]. Am 13.09.2010 seien für 13 Tage Erlöse i.H.v. 4.820 € [ca. 370 €/Tag] erklärt worden, am 30.09.2010 für die dazwischenliegenden 17 Tage aber Erlöse i.H.v. 13.260 € [780 €/Tag]. D...