Entscheidungsstichwort (Thema)
Buchführungspflicht von Fahrlehrern
Leitsatz (amtlich)
1. Die steuerrechtliche Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 und 3 AO umfasst alle Unterlagen und Daten, die zum Verständnis und zur Überprüfung gesetzlich vorgeschriebener Aufzeichnungen von Bedeutung sind. Hierzu gehören insbesondere Unterlagen, die Aussagen über Vorgänge zum Gewinn und seiner Ermittlung enthalten.
2. Branchenspezifische Aufzeichnungspflichten wie die Aufzeichnungspflicht nach § 18 Fahrlehrergesetz sind zugleich steuerrechtliche Pflichten.
Normenkette
AO § 140 Abs. 1 Sätze 1-2, § 147 Abs. 1 Nrn. 1-5, Abs. 3, 6, §§ 158, 162 Abs. 1-2; EStG § 4 Abs. 1, § 5; FahrlG § 18
Tatbestand
Streitig ist eine Gewinnzuschätzung.
Die Kläger sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger betrieb im Streitjahr eine Fahrschule. Seinen Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 erklärte der Kläger einen Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 18 Nr. 1 EStG i.H.v. 53.270,27 €. Mit Bescheid vom 13.11.2007 (Bl. 127 Einkommensteuerakten - EStA -) veranlagte der Beklagte die Kläger erklärungsgemäß.
In der Zeit vom 24.01.2011 bis 11.02.2011 (mit Unterbrechungen) fand bei dem Kläger eine Betriebsprüfung zu den Steuerarten Einkommen- und Umsatzsteuer für den Zeitraum 2006 bis 2008 statt. Zuvor, nämlich mit Schreiben vom 02.07.2009 (Bl. 28, 29 Außenprüfungsakten - ApA -), hatte die Oberfinanzdirektion den Beklagten darauf hingewiesen, dass die Stabsstelle Steueraufsicht ein Sammelauskunftsersuchen an den TÜV Rheinland gestellt habe. Ziel sei es gewesen, Informationen zu den angemeldeten Führerscheinprüfungen sowie den dazugehörigen Prüflingen aller Fahrschulen in Rheinland-Pfalz für den Zeitraum 2004 - 2007 zu erlangen. Für Prüfungszwecke könnten aus dem vom TÜV übersandten Datenbeständen unterschiedliche Tabellen zur Verfügung gestellt werden. Eine Liste von Fahrschulen im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts werde zugleich übersandt. Die Betriebsprüferin forderte die entsprechenden Daten per E-Mail an und wertete sie im Rahmen der Betriebsprüfung aus (vgl. den Vermerk "angefordert", Bl. 28 ApA; Bl. 146 Prozessakten - PA -). Sie gelangte zu folgenden Prüfungsfeststellungen (vgl. Bp-Bericht vom 14.02.2011, Bl. 19 ff. Bp-Berichtsakten - BpA -):
Der Gewinn des Streitjahres sei auf 57.770,27 € zu erhöhen. Die Einnahmen hätten nicht auf ihre Vollständigkeit hin geprüft werden können, da die hierzu erforderlichen Unterlagen nicht hätten vorgelegt werden können. Gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Fahrlehrergesetz seien Ausbildungs- und Tagesnachweise zu führen. Diese Aufzeichnungspflichten gälten gem. § 140 AO auch für Zwecke der Besteuerung, da nur anhand von Ausbildungs- und Tagesnachweisen die Vollständigkeit der Einnahmen geprüft werden könne. Außerdem bestünden Einzelaufzeichnungspflichten gem. § 22 UStG i.V.m. § 63 UStDV. Gem. § 18 Abs. 3 Fahrlehrergesetz seien die Ausbildungs- und Tagesnachweise 4 Jahre nach Ende der Fahrausbildung aufzubewahren. Nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 3 AO betrage die Aufbewahrungsfrist für Unterlagen, die nicht unter § 147 Abs. 1 Nr. 1 - 4 a AO fielen, aber die zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung seien, 6 Jahre. Kürzere Aufbewahrungsfristen nach außersteuerlichen Gesetzen ließen diese 6-jährige Frist unberührt. Die Aufbewahrungspflicht sei Bestandteil der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten und Mitvoraussetzung für die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Würden aufbewahrungspflichtige Unterlagen nicht aufbewahrt, sei die Buchführung nicht ordnungsgemäß, so dass gem. § 158 i.V.m. § 162 Abs. 2 S. 2 AO eine Zuschätzung der Einnahmen vorzunehmen sei. Der Zuschätzungsbetrag im Streitjahr 2006 sei anhand von Daten ermittelt worden, die vom TÜV Rheinland mitgeteilt worden seien. Sie ergäben sich aus der dem Bericht beigefügten Anlage 4. Es habe eine Zuschätzung der Erlöse i.H.v. 4.500,00 € zu erfolgen. Bei ihrer Kalkulation legte die Prüferin die vom TÜV Rheinland erstellten Listen über die Prüflinge der Fahrschule sowie die Preise bzw. Gebühren des Klägers zugrunde. Hinsichtlich der Anzahl der Fahrstunden nahm die Prüferin z.B. für die Führerscheinklasse B einen durchschnittlichen Fahrschüler mit 18 normalen Fahrstunden an. Bei einer Anzahl von Prüfungen von 115 absolvierten Fahrstunden von 18 und einem Preis pro Fahrstunde von 27,00 € gelangte sie zu Erlösen aus Fahrstunden i.H.v. 55.890,00 €. Diesem Ergebnis rechnete sie die Erlöse aus Fahrprüfungen (12.714,00 €) und Erlöse aus Unterricht - Theorie - i.H.v. 26.980,00 €, zusammen 39.694,00 € hinzu. Neben den - beispielhaft angeführten - Erlösen aus Fahrstunden in Bezug auf die Führerscheinklasse B rechnete sie des weiteren Erlöse aus Fahrstunden für andere Klassen von insgesamt 12.868,00 € sowie Erlöse aus Sonderfahrten von insgesamt 50.464,00 € hinzu u...