Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschluss eines bereits voll Erwerbstätigen zu neuer Berufsausbildung – Berechnung des Grenzbetrages
Leitsatz (amtlich)
1. § 32 Abs. 4 S.1 Nr. 2c EStG hat (lediglich) die Funktion eines Auffangtatbestandes für die Fälle, in denen die Begünstigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nicht greift.
2. Nicht tatbestandlich erfasst werden Fälle, in denen (wie vorliegend) ein bereits voll Erwerbstätiger sich zu einer neuen Berufsausbildung entschließt. Nach der ratio legis passt die Vorschrift nicht für Kinder, die sich in einem Beschäftigungsverhältnis befinden und sich aus dieser Situation heraus weiter bewerben. In diesem Fall ist die Tatsache, dass das Kind eigentlich einen Ausbildungsplatz sucht, nachrangig (so auch FG Brandenburg, Urteil vom 15. April 1999 5 K 865/98 Kg, EFG 1999, 783).
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2c; EStG § Abs. 4 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Überschreitung des Grenzbetrages nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG. Die Beteiligten streiten in diesem Zusammenhang darüber, welcher Zeitraum der Grenzbetragsberechnung zugrunde zu legen ist.
Die Tochter des Klägers L (geboren am 04. März 1988) war bis zum 21. August 2009 Angestellte im öffentlichen Dienst. Nach vorheriger Bewerbung erhielt sie unter dem 06. März 2009 eine Aufnahmebestätigung der Berufsbildenden Schule für den Ausbildungsgang Berufsoberschule I Wirtschaft. Seit dem 24. August 2009 besucht sie die Berufsbildende Schule. Für ihre daneben ab August 2009 ausgeübte Teilzeitbeschäftigung erhält sie 500,00 € brutto monatlich.
Mit Bescheid vom 19. November 2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Kindergeld vom 16. November 2009 für den Zeitraum von März 2009 bis Dezember 2009 ab und führte zur Begründung aus, dass nach § 32 Abs. 4 EStG ein über 18 Jahre altes Kind von der Berücksichtigung ausgeschlossen sei, wenn es Einkünfte und Bezüge von mehr als 7.680,00 € im Kalenderjahr habe, mit denen es seinen Unterhalt oder die Kosten seiner Berufsausbildung decken könne. Die Tochter L sei im Kalenderjahr 2009 im Zeitraum von März bis Dezember für den Kindergeldanspruch zu berücksichtigen. Das Einkommen in dieser Zeit übersteige voraussichtlich den anteiligen Grenzbetrag von 6.400,00 € (10/12 von 7.680,00 €). Soweit Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung gezahlt worden seien, seien diese in Höhe des Arbeitnehmeranteils berücksichtigt worden. Die angegebenen erhöhten Werbungskosten seien i.H.v. 1.669,12 € berücksichtigt worden.
Ungeachtet der Ablehnung für 2009 könne für das Kind ab Januar 2010 Kindergeld gezahlt werden, da ab diesem Zeitpunkt das voraussichtliche Einkommen den Grenzbetrag nicht überschreiten werde.
Der hiergegen eingelegte Einspruch führte in der Sache nicht zum Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 03. November 2010 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass bei Berechnung des Grenzbetrages nur die Monate Januar und Februar 2009 so genannte Kürzungsmonate seien, da ab März 2009 eine Zusage der Schule vorgelegen habe.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 08. Dezember 2010 bei Gericht eingegangenen Klage. Er trägt zur Begründung seiner Klage vor, dass seine Tochter unmittelbar nach Beendigung der bereits mehrere Jahre ausgeübten Vollerwerbstätigkeit ihre Berufsausbildung angetreten habe. Es liege folglich kein Übergangszeitraum zwischen zwei Ausbildungsabschnitten vor. Deshalb sei der Zeitpunkt der Anmeldung zum Schulbesuch bzw. die Zusage der Schule irrelevant. Fakt sei, dass die Tochter bis zum 21. August 2009 einen Vollzeitjob ausgeübt und ab dem 24. August 2009 nahtlos eine Berufsausbildung aufgenommen habe.
Das bloße Bemühen im Frühjahr 2009 um Aufnahme in der Schule für den August 2009 könne nicht als Beginn der Berufsausbildung gewertet werden. Der zu beurteilende Sachverhalt sei identisch mit dem, dass ein Kind seine Berufsausbildung abschließe und danach im Rahmen eines Anstellungsvertrages seinen Beruf ausübe. In diesem Fall käme niemand auf den Gedanken, die Einkünfte aus der beruflichen Tätigkeit mit in die Berechnung einzubeziehen, um den Kindergeldanspruch für die vorausgehende Zeit der Berufsausbildung zu prüfen. Daher sei die Entscheidung des BFH vom 16. November 2006 (BStBl. II 2008, 56) für den zu entscheidenden Fall nicht einschlägig.
Der Kläger beantragt,
unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 19. November 2009 und der Einspruchsentscheidung vom 03. November 2010 Kindergeld für die Tochter L für den Zeitraum August bis Dezember 2009 in Höhe von monatlich 164,00 € (insgesamt 820,00 €) zu bewilligen und auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte tritt der Klage entgegen. Unter Verweisung auf die Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung führt die Beklagte klageerwidernd ergänzend aus, dass nach dem BFH-Urteil vom 15. Ju...