Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer und Erschließungskosten
Leitsatz (amtlich)
Die Erschließungskosten eines von der Gemeinde - als ursprünglicher Eigentümerin - selbst erschlossenen Grundstücks gehören nicht zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer, wenn das betreffende Grundstück von der Gemeinde an den Ersterwerber verkauft wird und die auf die Erschließungsanlagen entfallenden Beträge gegen den Ersterwerber aus Vereinfachungsgründen nicht in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Akt festgesetzt werden, sondern - betragsmäßig nachvollziehbar - neben dem Kaufpreis in die zivilrechtliche Vereinbarung mit einfließen.
Normenkette
GrEStG §§ 8-9
Tatbestand
Streitig ist, ob Erschließungskosten zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung gehören, wenn das streitbefangene Grundstück von der Gemeinde veräußert wird, die die Erschließungsanlagen zuvor hergestellt hatte.
Mit Kaufvertrag vom 16. April 2004 des Notars Dr. K, Urkundenrolle Nummer .../2004 erwarb die Klägerin zusammen mit Herrn R. K. das im Grundbuch des Amtsgerichts P von S Blatt ... lfd. Nr. ... Flur ... Nr. ... eingetragene Grundstück mit einer Größe von 888 qm. Nach Abschnitt III der Urkunde betrug der Kaufpreis 38.628.- € unter Zugrundelegung von 43,50 € pro Quadratmeter. In der Urkunde ist dazu weiter ausgeführt: "In dem Kaufpreis von 43,50 € je Quadratmeter sind Erschließungsbeiträge in Höhe von 13,2629475 € je Quadratmeter Grundstücksfläche, Ausbaubeiträge für die Abwasserbeseitigung und Baukostenzuschuss für den Anschluss an die Wasserversorgung von 12,531904 € je Quadratmeter Grundstücksfläche sowie Kostenerstattungsbeiträge nach den §§ 135a bis 135c Baugesetzbuch (Ausgleichsmaßnahmen) in Höhe von 0,1935352 € je Quadratmeter Grundstücksfläche enthalten." Abschnitt IV Nummer 4 der Urkunde lautet wie folgt: "Die auf dem Grundbesitz ruhenden, wiederkehrenden öffentlichen Abgaben und Lasten nebst den objektgebundenen Versicherungsprämien gehen im Innenverhältnis mit dem Übergabetag auf den Käufer über. Maßgeblich ist nicht der Fälligkeitstag, sondern der Zeitraum, auf den diese Lasten entfallen. Die vorstehend aufgeführten Erschließungs- und einmaligen Anliegerbeiträge nach Baugesetzbuch und Kommunalabgabengesetz sind im Kaufpreis enthalten. Weitere Erschließungsbeiträge sowie Kostenersatz für Haus- und Grundstücksanschlüsse gehen im Innenverhältnis zu Lasten des Käufers." Auf Seite 3 der notariellen Urkunde befindet sich ein offensichtlich nachgefertigter, handschriftlicher Vermerk: "gem. RS mit der VG J... ist das Grundstück voll erschlossen ≫ E-Kosten voll ansetzen." es folgt ein Namenszeichen und ein auf den 29. Juni 2004 gestempeltes Datum. Wegen der weiteren Einzelheiten des notariellen Vertrages vom 16. April 2004 wird auf Blatt 1 bis Blatt 5R Grunderwerbsteuerakten - GrEStA - (Hefter) verwiesen.
Ausgehend vom hälftigen Anteil des Kaufpreises von 38.628.- € berechnete der Beklagte die Bemessungsgrundlage auf 19.314.- € und setzte die Grunderwerbsteuer mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 12. Juli 2004 auf 675.- € fest (vgl. Heftung nach Blatt 6 GrEStA).
Mit dem Einspruch wurde vorgetragen, die vertragliche Übernahme der Erschließungskosten habe bei der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage außer Ansatz zu bleiben. Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15.3.2001 II R 39/99 folge, dass es schon begrifflich an einer grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung fehle, wenn sich der Erwerber eines Grundstücks gegenüber der veräußernden Gemeinde zur Übernahme der - erst künftig entstehenden - Erschließungskosten verpflichte. Die Grundstückserschließung sei eine öffentlich-rechtliche Erschließungslast der Gemeinde, deren besonderer Charakter es nicht gestatte, sie der Gemeinde in ihrer Eigenschaft als Veräußerin des Grundstücks zuzurechnen. Daran ändere sich auch dann nichts, wenn und soweit sich ein Grundstückserwerber vertraglich gegenüber der Gemeinde verpflichte, die Erschließungskosten zu tragen, da er damit nur eine ihn ohnehin als Folge der Erschließung treffende zukünftige Beitragschuld übernehme. Daher werde gebeten, den Grunderwerbsteuerbescheid nochmals zu überprüfen. Bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage sei danach nur von einem Grundstückspreis von 17,50.- € pro Quadratmeter auszugehen. Grundsätzlich sei es richtig, dass bei einem Grundstückserwerb geprüft werde, ob der Vertragsgegenstand voll erschlossen sei oder nicht, das habe der BFH im Urteil vom 15. März 2001 entschieden. Allerdings sei zu beachten, ob es sich bei dem Erwerb eines erschlossenen Grundstücks von einer Privatperson oder von einer Gemeinde handele. Hier sei ein erschlossenes Grundstück von der Gemeinde S gekauft worden, hierfür sei die VG J zuständig. Daher sei die Ausnahmeregelung für Erwerbe von der Gemeinde anzuwenden, wenn diese die Erschließungskosten abgabenrechtlich geltend mache. Hier sei von der Gemeinde S kein besonderer Beitragsbescheid ergangen. Jedoch sei ein Vertrag mit der Gemeinde als juristische Person des öffentlichen Rechts ...