Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiwillige Rentenbeitragsleistungen für ein behindertes Kind nach § 1233 RVO sind für den leistenden Elternteil als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig. Lohnsteuerjahresausgleich 1978

 

Leitsatz (amtlich)

Leistet ein Elternteil für sein behindertes Kind nach § 1233 RVO freiwillige Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung, so sind diese Aufwendungen bei ihm als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigungsfähig, da für Versorgungsleistungen im Drittinteresse kein vorrangiger Sonderausgabenabzug möglich ist und solche Ausgaben auch nicht bereits durch den Pauschbetrag für Körperbehinderte nach § 33b EStG abgegolten sind.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1; RVO § 1233; EStG § 10 Abs. 1, § 33b

 

Tenor

I. Unter teilweiser Aufhebung des Bescheides über den Lohnsteuerjahresausgleich 1978 vom 1. Oktober 1979 und der Einspruchsentscheidung vom 9. November 1979 wird dem Finanzamt aufgegeben, dem Kläger 7.992,– DM als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Beamter des höheren Dienstes. Er hat ein 1955 geborenes Kind, das dauernd zu 90% erwerbsunfähig ist. Für dieses zahlte er im Streitjahr 1978 freiwillige Leistungen von 7.992,– DM in die Sozialversicherung, außer weiteren Versicherungsaufwendungen für eigene Zwecke, zusammen 10.607,– DM. Das Finanzamt gewährte ihm im Bescheid über den Lohnsteuerjahresausgleich 1978 außer einem Pauschbetrag von 2.400,– DM nach § 33 b Einkommensteuergesetz 1978 –EStG– einen Sonderausgabenhöchstbetrag von 7.200,– DM. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die volle Anerkennung der geleisteten Beiträge entweder als Sonderausgaben oder als außergewöhnliche Belastung. Ihm sei zwar bekannt, daß Sonderausgaben, die Eltern für ihre Kinder aufwendeten, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH– nicht abzugsfähig seien. Etwas anderes müsse aber für die Altersversorgung eines anerkannt Schwerbehinderten gelten. Insoweit dürften auch die Vorsorgeaufwendungen für sein Kind nicht wegen seines eigenen Versorgungsanspruches gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 b EStG gekürzt werden. Ferner sei nach dem Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975 mit Wirkung ab 1. Juli 1975 geregelt, daß für körperlich, geistig oder seelisch Behinderte Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten seien, wenn sie in Werkstätten für Behinderte, in Anstalten, Heimen oder gleichwertigen Einrichtungen beschäftigt würden. Für nicht in solchen Einrichtungen Beschäftigte bestehe die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung, um nach einer Versicherungszeit von 240 Kalendermonaten einen Rentenanspruch zu erwerben. Er habe sich sittlich verpflichtet gefühlt, durch derartige freiwillige Beiträge die Zukunft seines Sohnes abzusichern, damit dieser später nicht der öffentlichen Fürsorge zur Last falle.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter teilweiser Aufhebung des Bescheides über den Lohnsteuerjahresausgleich 1978 vom 1. Oktober 1979 und der Einspruchsentscheidung vom 9. November 1979 die streitigen Aufwendungen in Höhe von 7.992,– DM in vollem Umfang steuermindernd zu berücksichtigen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es ist der Ansicht, daß dem Kläger die geleisteten Zahlungen nicht als Sonderausgaben zugerechnet werden könnten und auch keine außergewöhnliche Belastung gegeben sei. Ihm sei die Vorsorgepauschale nach Maßgabe des § 10 c EStG in Höhe von 7.200,– DM gewährt worden. Auch die Höchstbeträge für Sonderausgaben nach § 10 EStG würden ihm nur in derselben Höhe zustehen, weil er als Beamter mit entsprechend hohem Einkommen keinen Anspruch auf den Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG habe, wie sich aus Satz 2 Buchstabe b ergebe. Nach dem Urteil des BFH vom 9. Mai 1974 seien aber ohnehin Leistungen zur Sozialversicherung für den Sohn des Klägers nicht als Sonderausgaben abzugsfähig, weil der Kläger selbst hieraus keinen Versorgungsanspruch erhalte. Da es sich aber dem Grunde nach um Sonderausgaben handele, wenn auch um solche des Sohnes sei die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unter dem Gesichtspunkt der außergewöhnlichen Belastung begründet.

1. Sonderausgaben, die vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden können, sind u. a. bestimmte Versicherungsleistungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind (§ 10 Abs. 1 EStG). Der Steuerpflichtige, der Beitrage zur Rentenversicherung als Sonderausgaben absetzen will, muß selbst Verpflichteter aus dem Versicherungsverhältnis sein. Es entspricht nicht dem Sinn der gesetzlichen Regelung, daß Beiträge zu Versicherungen als Sonderausgaben geltend gemacht werden können, die vom Steuerpflichtigen weder vertraglich noch gesetzlich geschuldet werden. Darauf ob die Leistungen ethisch lobenswert seien, komme es nicht an (BFH ...

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